Autonomes Fahren: Vision, aber keine Utopie

Der Bundestag will bis zum Sommer ein Gesetz zum autonomen Fahren verabschieden. Busse dürfen künftig ohne Fah­re­r:in­nen unterwegs sein.

ein Mann sitzt im Auto auf dem Fahrersitz und hält die Hände auf den Beinen und nicht am Lenkrad

Auf Teststrecken funktioniert es bereits: Autonom fahrendes Auto Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN taz | Für viele ist es eine verheißungsvolle Vorstellung: Am Morgen kommt das eigene Auto automatisch zur Haustür gefahren, statt bei der Fahrt zu steuern, können Nut­ze­r:in­nen auf dem Weg zum Job Zeitung lesen, und am Ziel angekommen, sucht sich das Fahrzeug selbst einen Parkplatz. Blöd nur, wenn es keinen findet. Dann fährt das Auto möglicherweise stundenlang in der Umgebung herum.

Noch ist das autonome Fahren eine Zukunftsvision, aber es ist keineswegs eine Utopie, sagt Marena Pützschler von der Denkfabrik Agora Verkehrswende, die sich für eine Dekarbonisierung des Verkehrssektors bis zum Jahr 2050 einsetzt. „Das Auto wird damit attraktiver, längere Pendelstrecken komfortabler und der Autoverkehr könnte insgesamt zunehmen“, sagt sie. Beim autonomen Fahren steuert ein Computer das – vorzugsweise elektrisch angetriebene – Fahrzeug und ist dabei in ständigem Austausch mit anderen Rechnern.

Kameras, Sensoren und Scanner erfassen das Geschehen in der Umgebung, damit der Computer richtig reagiert. An das autonome Fahren knüpfen Po­li­tiker:in­nen und Wis­sen­schaft­le­r:in­nen große Hoffnungen: Der Verkehr soll sicherer werden, weil technisches Versagen seltener ist als menschliches. Er soll flüssiger und energieeffizienter werden, weil Computer das Verkehrsgeschehen besser erfassen und für ausgewogenes Bremsen und Beschleunigen sorgen.

Aber mit der weiterentwickelten Technik allein wird nichts automatisch besser, warnt Pützsch­ler. „Es sind flankierende Maßnahmen nötig, damit automatisierte Fahrzeuge zukünftig einen Beitrag zur Verkehrswende leisten und nicht zu mehr Verkehr führen“, sagt sie. Zum Beispiel Maßnahmen, die verhindern, dass Parkplatz suchende Autos die Straßen verstopfen. Das könnte die Diskussion über eine Maut anstoßen.

Autonom fahrende Autos ohne Fah­re­r:in

Noch stehen beim Thema autonomes Fahren technische und rechtliche Fragen im Vordergrund. So ist es auch bei dem Gesetzentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium, der nach Angaben der Unionsfraktion Ende März in erster Lesung im Bundestag debattiert und noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden soll. „Mit unserem neuen Gesetz werden wir zum internationalen Vorreiter und machen Schluss mit umständlichen Einzelgenehmigungen“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Die wichtigste Neuerung: Künftig soll unter bestimmten Umständen das Fahren eines Fahrzeugs ohne Fah­re­r:in­ möglich sein. Seit 2017 sind autonom fahrende Fahrzeuge zwar erlaubt, bislang muss aber immer jemand an Bord sein, der oder die notfalls eingreifen kann.

Scheuer will, dass ab 2022 autonom fahrende Fahrzeuge in den Regelverkehr übergehen. Das ist ein realistisches Ziel, denn technisch ist das selbstständige, von Computern gesteuerte Fahren zumindest auf festgelegten Strecken mit stets gleichen Zielen längst möglich. Zahlreiche Testprojekte von Verkehrsunternehmen in der ganzen Bundesrepublik belegen das. Sie könnten nach der Gesetzesänderung in den regulären Betrieb gehen.

Zwischen Aachen und Wusterhausen/Dosse gibt es nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zum Beispiel mehr als 50 Projekte mit autonom fahrenden Bussen. „Wir wissen aus Studien, dass die Menschen das Angebot nutzen möchten“, so VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Verbindungen könnten so enger getaktet, Angebote enorm ausgeweitet werden.

Wann das autonome Fahren für Privatleute kommt, ist heute unklar. Nach einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft könnte es ab 2035 beginnen, ab dem Jahr 2050 könnten fünf Prozent der Pkw autonom unterwegs sein. Die Rahmenbedingungen dafür werden aber heute gesetzt. „Das ist ein Prozess, der jetzt startet“, sagt Verkehrsexpertin Pützschler.

Mehr Energieeffizienz könnte verpuffen

Eine Frage ist, wie viel Energie die Wagen verbrauchen sollen. Eigentlich sind die fah­re­r:in­nen­lo­sen Pkws energieeffizienter als die menschlich gesteuerten. Sie brauchen zwischen vier und zehn Prozent weniger Antriebsenergie, sagt die Wirtschaftsingenieurin. Aber je nach technischer Ausstattung, etwa für Unterhaltungselektronik, wird die Ersparnis teilweise aufgefressen. Das gilt auch, wenn die neuen Möglichkeiten zu mehr und nicht zu weniger Verkehr führen. „Wenn die Zahl der Fahrten um ein bis zwei Prozent zunimmt, sind die Effizienzgewinne weg“, sagt sie.

Mit dem Autopiloten an Bord wäre Autofahren für neue Nut­ze­r:in­nen­grup­pen attraktiv, etwa für ältere Menschen auf dem Land. Das ist wünschenswert. Problematisch aber wäre es, wenn das autonome Fahren dazu führen würde, dass ausgerechnet diejenigen, die Alternativen haben, den Wagen länger und öfter nutzen würden. Denn schon heute leiden Klimabilanz, Städte und Straßen unter viel zu vielen Autos.

„Der Individualverkehr muss weniger werden“, betont ­Pützschler. Deshalb müssten mit dem autonomen Fahren Modelle des gemeinsamen Nutzens wie Carsharing oder Rufbusse gefördert werden, fordert sie. Auch sei die Einbeziehung in den öffentlichen Nahverkehr wichtig, etwa durch Tarifsysteme, die Abholautos integrieren. Pützschler sagt: „Erst wenn wir Fahrten bündeln, haben wir Fahrten eingespart.“

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