Saisonstart der Profiradler: Motor der Normalität

Paris-Nizza oder Tirreno Adriatico: Die Szene der Pedaleure startet voller Zuversicht in den Frühling, trotz hoher Indizidenzwerte in Frankreich.

Der Ire Sam Bennett freut sich nach seinem Sieg auf der 1. Etappe des Rennens Paris-Nizza.

Irre schneller Ire: Sam Bennett genießt seinen Sieg bei der 1. Etappe von Paris-Nizza Foto: Christophe Ena/ap

Der Radsport ist zurück auf der Straße. Die Fernfahrt Paris–Nizza startete wie geplant am Sonntag in Saint-Cyr, vorm Sitz einer von Napoleon gegründeten Militärschule bei Paris. Polizisten hoch zu Pferd patroullierten und schauten, ob die Zu­schaue­r*in­nen brav die Masken aufhatten. Hatten sie, weitgehend zumindest. Die Infektionszahlen liegen schließlich auch hoch, bei 21.000 Neuansteckungen am Tag.

Die Neuigkeit war eher, dass überhaupt Publikum erlaubt war beim Rennen. Der Parkplatz der Teambusse war zwar abgesperrt, aber links und rechts der Busse führten Wege entlang, von denen aus die Fans Blicke auf ihre Lieblinge werfen konnten. Auch zu den Bergwertungen der ersten Etappe in die Wälder rings um das – weiterhin geschlossene – Prunkschloss Versailles hatten sich Familien zum Sonntagsausflug aufgemacht. Picknicktische wurden etwas tiefer in den Wäldern aufgebaut, beim Ansturm des Pelotons eilte man schnell an die Strecke.

Dort war das Einrollen bei der ersten World-Tour-Rundfahrt auf europäischem Boden in dieser Saison schnell durch Stürze unterbrochen. „Es war ziemlich hektisch“, teilte Vorjahresgewinner Maximilian Schachmann der taz mit. Richie Porte, zwei Mal bereits Gewinner der Rundfahrt und im letzten Jahr Tour-de-France-Dritter, musste nach einem Crash sogar aussteigen.

Es war also der gewohnte Auftakt einer Radsportsaison. Alle sprühen vor Ehrgeiz. „Bei Paris–Nizza ist ja schon ein Niveau wie bei der Tour de France“, sagte Simon Geschke, mit dem neuen Team Cofidis beim „Rennen zur Sonne“ am Start, der taz. Und mit dem Ehrgeiz und den frischen Kräften wird es dann eben manchmal eng.

Mehr PCR-Tests als Dopingtests

Generell freuen sich die Rennfahrer, dass es wieder losgeht. „Letztes Jahr mit der langen Pause war schon schwierig. Man wusste nicht, wann und wie es weitergehen wird und wofür man trainiert. Dieses Jahr sieht es ja so aus, als würden die meisten Rennen stattfinden. Es hat sich auch gezeigt, dass die Hygieneregeln im Radsport funktionieren. In der Blase gab es verhältnismäßig wenig Infektionen“, sagte Geschke.

Die Hygieneregeln sind die gleichen wie im Vorjahr. Sechs und drei Tage vor den Rennen muss ein PCR-Test abgeliefert werden. PCR-Tests haben Radprofis daher mittlerweile häufiger als Dopingtests. Auf etwa 30 Tests kam seit letztem August, seit Beginn der komprimierten Saison 2020, der Berliner Roger Kluge, erzählte er der taz. Kluge steht am Mittwoch beim Tirreno Adriatico, der Fernfahrt zwischen Tyrrhenischem Meer und Adria, am Start. Dort hofft er auch auf Anfeuerung durch Zuschauer, aber auf maßvolle Weise.

„Zuschauer gehören zum Radsport. Ich denke auch nicht, dass es jetzt Geisterrennen geben wird“, prognostiziert der Berliner Lotto Soudal-Profi. „Es hat sich ein bisschen normalisiert. Es werden keine Massen im Start- und Zeilbereich sein. Aber Zuschauer, die an der Strecke wohnen, werden herauskommen. Das wird anders sein als noch bei der Tour de France, als die Zuschauer ja direkt aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben“, sagte er. Als gefährlich schätzt er vor allem Start und Ziel ein. „Dort stehen wir ja still, und der enge Kontakt ist gefährlicher, als wenn wir unterwegs an den Zuschauern vorbeirauschen. In den Bergen, wo wir langsamer sind, zählen sie hoffentlich die Leute ab, die auf den Berg dürfen.“

Bei Paris–Nizza zumindest zählte bislang niemand ab. Zu den Bergwertungen pilgerten am Sonntag Zuschauer in Scharen. Zumindest die familiären Verbünde hielten aber jeweils Abstand voneinander. Die Sehnsucht nach normalem Leben war spürbar. Und der Profiradsport, der eben nicht ein Geistersport in leeren Stadien und auf den Monitoren ist, erweist sich zumindest im Radsportland Frankreich als Motor der Normalität.

Wie schlau das ist, wird man erst später wissen. Interessant ist aber, dass die Angst jetzt, bei Infektionszahlen von 21.000 Fällen pro Tag im Land, geringer ist als bei der Austragung vor einem Jahr. Da lagen die Zahlen zwischen 200 und 1.200 Ansteckungen pro Tag. Sieben World-Tour-Teams blieben dem Rennen fern, zwei weitere stiegen aus. In diesem Jahr hingegen ist trotz wesentlich höherer Ansteckungsrate das Zutrauen in den rollenden Zirkus riesengroß.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.