Fossile Energie und Klimaschutz: Bloß keinen Preis für CO2

Die deutsche Politik setzt auf CO2-Preise, doch das wird nicht funktionieren. Man muss direkt festlegen, wie teuer Öl oder Kohle sein sollen.

Ein Mann an einer Tankstelle ist hinter einem Zapfhahn zu sehen, der im Tank eines PKWs steckt

Nur wenn fossile Energie stetig und planbar teurer wird, lohnt sich z.B. der Kauf eines Elektroautos Foto: Panthermedia/imago

Ob Union, SPD oder Grüne: Sie alle setzen auf den CO2-Preis, um „marktkonform“ den Klimaschutz voranzutreiben. Gestritten wird nur noch, wie hoch die Abgabe sein soll. Die Grünen sind am radikalsten und fordern, dass die Emission von einer Tonne CO2 60 Euro ab 2023 kosten soll. Trotzdem ist es die falsche Strategie, auf steigende CO2-Preise zu setzen.

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Auf den ersten Blick wirkt die Idee vom CO2-Preis überzeugend. Nur wenn fossile Energie immer teurer wird, lohnt es sich für BürgerInnen und Unternehmen, Energie zu sparen und auf Ökostrom umzustellen. Denn die Energiewende erfordert gewaltige Investitionen und wird Milliardensummen kosten.

Gebraucht werden unter anderem Millionen Wärmepumpen, Photovoltaik auf fast allen Dächern, enorme Kapazitäten an Stromspeichern, ein transeuropäisches Schienennetz, ein ausgebauter Nahverkehr, Elektroautos, grüner Wasserstoff für die Industrie und für Lastwagen, Stromleitungen durch ganz Europa sowie viele neue Windräder.

Damit diese Mega-Investitionen getätigt werden, braucht es Planungssicherheit und Rentabilität. Beides ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn alle Akteure wissen: Die Preise fossiler Energie steigen in den nächsten 30 Jahren stetig an. Denn die Investitionen zur Emissionsvermeidung sind ja nur profitabel, falls es deutlich kostspieliger gewesen wäre, fossile Energie zu verbrennen.

Wenn zum Beispiel alle BürgerInnen damit rechnen müssen, dass Treibstoff oder Heizöl stetig um etwa fünf Prozent pro Jahr teurer werden, können sie mühelos ermitteln, wie viel Geld sie in Zukunft sparen werden, wenn sie heute schon ihre Wohnung energetisch sanieren oder ein Elektroauto kaufen.

Genau diese Planbarkeit wird es jedoch nicht geben, wenn die Politik weiterhin auf CO2-Preise oder den Emissionshandel setzt. Denn die tatsächlichen Kosten für die fossile Energie ergeben sich ja erst aus dem Weltmarktpreis von Erdöl, Kohle und Erdgas plus den Zusatzbelastungen, die durch eine CO2-Steuer oder den CO2-Zertifikatpreis entstehen. Da aber die Weltmarktpreise für Öl, Kohle und Gas enorm schwanken, wird es immer wieder vorkommen, dass die Kosten für fossile Energie nicht etwa steigen, sondern sinken – trotz der CO2-Steuer.

Dieses Phänomen lässt sich schon jetzt ganz konkret beobachten, denn Energie wird ja längst besteuert – beispielsweise durch die Diesel- oder Benzinsteuer. In Deutschland beträgt die Dieselsteuer derzeit 47 Cent pro Liter. Da ein Liter Diesel 2,65 kg CO2 emittiert, belastet die Steuer eine Tonne „Diesel-CO2“ also mit rund 180 Euro. Das ist schon jetzt viel mehr, als die geplanten CO2-Steuern bisher vorsehen. Trotzdem schwankte der Dieselpreis an der Tankstelle in den vergangenen zwanzig Jahren zwischen 80 Cent und 1,50 Euro pro Liter.

Denn der Erdölpreis schwankte auf den Weltmärkten noch viel stärker, nämlich zwischen 20 und 100 Euro pro Barrel (159 Liter). Das bedeutet: Ein „Bullenmarkt“ an den Ölbörsen lässt ökologische Investitionen rentabel erscheinen, ein „Bärenmarkt“ macht sie wieder unrentabel. Seit 2008 ist der Dieselpreis drei Mal um jeweils etwa 30 Prozent gesunken. Umweltschädliche Investitionen wie die Anschaffung treibstofffressender SUVs wurden dadurch wieder attraktiv.

EU muss Preise für fossile Brennstoffe festlegen

Die gleiche Problematik prägt den EU-Emissionshandel seit seiner Einführung 2005: Die Preise für eine Tonne CO2 schwankten zwischen 3 und 48 Euro. Aktuell sind CO2-Emissionen zwar teuer, was klimaneutrale Investitionen anregen könnte, wüssten die Akteure nicht, dass die Preise für CO2-Zertifikate schon vier Mal um mehr als 50 Prozent gefallen sind.

Diese enormen Schwankungen der Energiepreise machen Investitionen in den Klimaschutz zu einem Glücksspiel. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die Ölpreise auf den Weltmärkten werden vor allem von Spekulanten bestimmt, die mit Derivaten auf die Kurse wetten. Das gleiche Spiel findet auch bei Aktien, Anleihen oder Kryptowährungen statt.

Der Ölpreis wird bisher durch die Spekulanten bestimmt – deswegen schwankt er viel zu stark. Das muss sich ändern

Was wäre nun die Lösung? Theoretisch ist sie einfach: Die EU muss die Preise für Erdöl, Kohle und Erdgas direkt festlegen und dafür sorgen, dass die Kosten für fossile Energie stetig steigen. Ein Beispiel: Die EU könnte etwa festlegen, dass ein Barrel Öl im Jahr 2025 genau 100 Euro kostet und ein Jahr später 105 Euro. Liegt der Weltmarktpreis darunter, wird die Differenz als Steuer abgeschöpft. Der definierte Preis steigt jährlich, wobei diese Teuerungsrate gar nicht hoch sein muss. Ein jährliches Plus von 5 Prozent würde schon reichen.

Entscheidend ist die Planungssicherheit: Wenn fossile Brennstoffe stetig teurer werden, sind Investitionen in die Energiewende verlässlich profitabel. Die europäischen Unternehmen wären trotzdem konkurrenzfähig, denn alle Importe würden an den EU-Außengrenzen mit einer entsprechenden Energieabgabe belastet; gleichzeitig wären alle Exporte von der Steuer befreit.

Größtes Marktversagen der Menschheitsgeschichte

Durch diese Ausgleichssteuer würden die EU-Staaten mehrere hundert Milliarden Euro einnehmen. Ein Teil könnte an einkommensschwache Haushalte zurückgegeben werden, damit sie durch die Energiewende nicht zu stark belastet werden. Der Rest sollte in öffentliche Umweltinvestitionen fließen. Technisch ist es jedenfalls viel einfacher, flexible Mengensteuern auf Kohle, Öl und Gas zu erheben, als punktgenau CO2-Steuern einzutreiben oder den komplizierten Emissionshandel zu verwalten.

Gern wird der Einwand erhoben, dass das Konzept doch eine planwirtschaftliche Preissteuerung sei. Das stimmt. Aber diese Preissteuerung gäbe es nur für fossile Energie. Denn Märkte können die Schäden, die durch die CO2-Emissionen entstehen, nicht von selbst „einpreisen“. Der Klimawandel stellt das größte Marktversagen der Menschheitsgeschichte dar.

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war bis zu seiner Pensionierung Wirtschaftsforscher am WIFO in Wien. Von ihm stammt das Buch „Der Weg zur Prosperität“ (Ecowin 2018).

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