Umgestaltung des Alexanderplatzes: Kein Werk der SED

Aufhalten möchte sich am Berliner Alexanderplatz kaum jemand. Nun soll der südliche Teil umgestaltet und Be­su­che­r:in­nen-freundlicher werden.

Ein Träger vom Fuß des Berliner Fernsehturms, dahinter das rekonstruierte Stadtschloss

Blick vom sozialistischen Wahrzeichen, dem Fernsehturm, zum rekonstruierten Stadtschloss Foto: Stefan Boness

Ost gegen West, Sozialismus gegen Kapitalismus – dieser Dualismus manifestiert sich an wenigen Orten in Berlin so sehr wie am Alexanderplatz. Über die Stadtraumgestaltung wurde seit der Wende hier heftig gestritten.

Wirklich etwas getan hat sich eigentlich vor allem in der Nordhälfte: Während man hier von Konsumhölle zu Konsumhölle ziehen kann, begegneten einem im Freiraum südlich des Fernsehturms vor allem pfeifender Wind und eine nie enden wollende U-Bahn-Baustelle.

Franz Biberkopf hat den Platz schon 1929 ganz ähnlich erlebt: „Am Alexanderplatz reißen sie den Damm auf für die Untergrundbahn. Man geht auf Brettern“, heißt es in Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“. 2021 ist die Baustelle endlich Geschichte und der Freiraum soll wieder nutzbar werden.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat dazu einen freiraumplanerischen Wettbewerb ausgerufen. 54 Vorschläge sind in der knapp zweimonatigen Frist eingereicht worden. Nachdem der Wettbewerb aufgrund der Coronapandemie immer wieder verschoben worden ist, soll es nun schnell gehen. Voraussichtlich im August sollen die Entwürfe der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Altstadt-Rekonstruktion vs. Neugestaltung

Ideen, wie der Platz zu nutzen wäre, gab es schon viele. Empörung rief 2009 der Vorschlag hervor, angelehnt an einen Entwurf von 1959 die Spree bis zum Fernsehturm heranzuführen und so den gesamten Platz zwischen Rotem Rathaus und Marx-Engels-Forum zu fluten.

Konkret streiten sich bei den Plänen Ver­fech­te­r:in­nen einer Altstadt-Rekonstruktion mit denen, die den Platz in seiner Gesamtheit erhalten wollen, erklärt Garten- und Landschaftsarchitekt Stephan Strauss. Strauss ist Mitglied der Hermann Henselmann Stiftung, die sich für die Umgestaltung des Freiraums einsetzt und zu einem Rundgang auf den Alexanderplatz eingeladen hat.

Mit dem Neubau des Berliner Schlosses seien die Fans einer Altstadt-Rekonstruktion ihrem Ziel schon nähergekommen, nun könnten auch auf der gegenüberliegenden Spreeseite historische Bauten rekonstruiert werden. An die DDR-Vergangenheit würde so wohl nur noch der Fernsehturm erinnern.

So vorzugehen entspräche jedoch der gleichen ideologisch motivierten Geschichtstilgung, die Walter Ulbricht mit dem Bau des Palastes der Republik am Standort des abgerissenen Berliner Schlosses vorgenommen habe, sagt Strauss. Auf dem Alexan­derplatz kommen alle Zeitschienen der Stadtgeschichte zusammen: Hier treffen die mittelalterliche St. Marienkirche auf sozialistischen Plattenbau, während im Hintergrund der Berliner Dom im Stil des Neobarock protzt.

Kein SED-Einfluss, sondern Nachkriegsmoderne

Was manche vielleicht als ein Gebilde aus Fremdkörpern empfinden, sei eigentlich ein einzigartiges Beispiel der Baukunst. In einem beinahe surrealistischen Verhältnis stünden die Relikte zueinander, schreibt Architekturhistoriker Kurt W. Forster in seinem Beitrag im neuen, von der Hermann Henselmann Stiftung herausgegebenen Journal Stadt Forum Mitte, das anlässlich des Wettbewerbs veröffentlicht wurde.

Ohnehin: Wer den Alexanderplatz nur als architektonischen Ausdruck der sozialistischen Staatsmacht verstanden wissen will, täuscht sich. Während die Karl-Marx-Allee, damals noch als Stalinallee, zweifellos als Prachtstraße geplant war, sind die Bauten rund um den Fernsehturm kein typisches SED-Werk.

Die vier Architekten, die den Alexanderplatz maßgeblich gestalteten, begeisterten sich für die internationale, ja, westliche Nachkriegsmoderne, sagt Bauhistoriker Matthias Grünzig und deutet auf die den Platz säumenden Wohnhäuser. „Sie schwärmten für die Planstadt Brasília und ließen sich von Le Corbusier inspirieren.“ Den Alexanderplatz als Freiraum zu gestalten, sei bei den DDR-Politiker:innen auf wenig Gegenliebe gestoßen.

„Geplant war eine Bebauung, es gab ja einen großen Mangel an Büroräumen“, sagt Grünzig. Nur mit Tricks und falschen Zahlen hätten die Architekten, darunter auch der Stiftungsnamensgeber Henselmann, die SED-Führung von ihren Plänen überzeugen können. Einzig der Fernsehturm, der mitten in die Einflugschneise des Westberliner Flughafens Tempelhof gebaut wurde, stellte eine Provokation gegenüber dem Westen dar – und dieses Wahrzeichen abzureißen, schlägt heute ja niemand ernstlich vor.

Zukunft für Grünflächen, Café und Kultur

Was sich stattdessen auf dem Alexanderplatz tun soll, ist vor allem eine Aufwertung der Grünräume. Das fordert die Hermann Henselmann Stiftung ebenso wie die Initiative Offene Mitte Berlin. Mehr Bäume und Pflanzen sollen im Sommer kühlen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, der Autoverkehr sollte weitgehend herausgenommen werden. Initiative wie Stiftung sprechen sich zudem gegen eine weitere Privatisierung auf dem Platz aus.

Von einer besucherfreundlichen Nutzung kann man beim Fernsehturm nämlich wahrlich nicht sprechen. Wer von oben auf die Stadt blicken will, kann für knapp 20 Euro in das sich drehende Turmcafé hinauffahren. Unten, am Fuß des Turms, bleibt die Wahl zwischen einem Starbucks oder dem Körperwelten Museum. Marx hätte für die Situation deutliche Worte gefunden, meint Architekturhistorikerin Simone Hain und nickt in Richtung des Marx-Engels-Forums.

Nach dem Willen der Hermann Henselmann Stiftung soll daraus ein richtiger Park werden, mit einem Café, Lesehallen oder kleinen Ausstellungsräumen vielleicht. Vor allem freue man sich aber jetzt, dass endlich etwas auf dem Platz passieren soll, sagt Hain. „Bürgerbeteiligungsprozesse haben gezeigt, dass sich die Ber­li­ne­r:in­nen für den Platz und auch für den Freiraum sehr interessieren.“

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