heute in bremen
: „Ich finde die Technologie faszinierend“

Foto: Marco Grundt

Carsten Rau

54, ist Dokumentarfilmer, Journalist und Produzent.

Interview Pia Tönnissen

taz: Herr Rau, warum haben Sie für Ihren neuen Dokumentarfilm den Titel „Atomkraft forever“ gewählt?

Carsten Rau: Der Rückbau des Atomkraftwerks Greifswald, in dem wir gedreht haben, hat schon 1994 angefangen. Die Dekontaminierung der verstrahlten Ruine soll bis 2028 fertig sein, aber der Atomschrott dort wird mindestens bis 2080 im Zwischenlager bleiben. Das klingt für mich ziemlich nach „forever“.

Wen haben Sie für den Film interviewt?

Durchweg Leute, die in der Nuklearindus­trie arbeiten, oder für den Rückbau, Nach­ba­r*in­nen von Atomkraftwerken und Leute, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen, ein mögliches Endlager für den Atommüll zu finden. Wir haben bewusst auf Ex­per­t*in­nen verzichtet, die Konflikte auf einer analytischen Ebene beschreiben. Für mich ist Dokumentarfilm ein beobachtendes Genre.

Was waren die Herausforderungen?

Die Drehgenehmigungen. Um mit den Dreharbeiten in einem französischen Kernforschungszentrum zu beginnen, haben wir zwei Jahre gebraucht. Aber auch einzelne Gespräche waren herausfordernd; beispielsweise das mit einem Nuklearingenieur, dessen Leben die Kernenergie ist. Er soll sich natürlich im Gespräch wiederfinden – als Mensch und als Nuklearingenieur. Die meisten in Frankreich und in Deutschland wissen aber, dass sich die deutsche Öffentlichkeit und Mediensicht eher kritisch mit Kernenergie auseinandersetzen. Trotzdem wollten wir transparent bleiben und uns mit allen Perspektiven auseinandersetzen.

Welche Erwartungen hatten Sie vorher?

Vor Beginn der Dreharbeiten war mir nicht klar, was für Dimensionen der Rückbau eines Atomkraftwerks hat. Erst bei den Dreharbeiten habe ich verstanden, wie viel Zeit, Aufwand und Geld dafür notwendig sind – in absurden Dimensionen. Das ist ein entscheidendes Argument gegen die Kernenergie.

Dokumentarfilm „Atomkraft forever“ heute und Mittwoch im Cinema Ostertor, 16.30 Uhr

Warum haben Sie zu dem Thema einen Film gedreht?

Zum einen, weil mir nicht klar war, was der Entschluss zum Rückbau bedeutet. Aber ich wollte auch sehen, was im restlichen Europa der Grund dafür ist, dass manche Staaten an diesem für mich gescheiterten Traum der Atomkraft noch festhalten. Seit meiner Kindheit interessiere ich mich dafür: Meine Mutter war in Brokdorf Demonstrantin gegen Atomkraft. Debatten um Kernindustrie sind Teil meiner politischen DNA geworden.

Hat sich Ihre Position zur Atomkraft durch den Film geändert?

Nein, ich finde zwar die Technologie und die Ingenieursleistung, solche Reaktoren zu betreiben, faszinierend. Das ist schon eine erstaunliche Leistung. Ich bezweifle aber, dass es sinnvoll ist, diese mächtige Energie zu entfesseln, bloß um Wasser heiß zu machen.