We had the times of our lives
Der Tanzlehrer

AND WE OWE IT ALL TO YOU Patrick Swayze ist am Montagabend mit 57 Jahren an Krebs gestorben. Seine Rollen haben Fantasien und Vorstellungen einer ganzen Generation geprägt. Eine Erinnerung an seine größten Filme

Patrick Wayne Swayze war der erste Mann in meinem Leben. Ich traf ihn 1987 in einem Provinzkino in Solingen. Meine persönliche sexuelle Revolution – und das Woodstock meiner Generation. Prompt zwangen wir die bleichen Jungen aus der 8b zum Mambo-Kurs. Monatelang wurden jeden Samstag bei anderen 13-jährigen Freundinnen „Dirty-Dancing-Videonächte“ veranstaltet. Wir konnten nicht genug kriegen von der Geschichte von Upper-Class-Baby und ihrer Liebe zu dem Jungen, der nie eine Chance bekommen hatte: Johnny. In meiner linken Reformpädagogik-Schule hatten unsere Freunde-Lehrer verzweifelt versucht, uns auf die netten, gleichberechtigenden Jungs zu polen. Dann kam Johnny in seinen engen Hosen, dem halb offenen Hemd und diesem Beharren darauf, dass ein Mann ein Mann ist. Ab da war alles anders. „Dirty Dancing“ ist keine filmerische Glanzleistung. Sieht man mal von dem Fakt ab, dass sich die Liebesgeschichte nur entwickelt, damit eine dritte Frau Zeit für eine Abtreibung hat, ist die Geschichte denkbar spießig. Aber als Patrick Swayze aus dem Wasser auftauchte, um Baby in die Luft zu recken, da ahnte eine ganze Generation, dass die Sache zwischen Männern und Frauen weitaus komplizierter werden würde als angekündigt. Und weitaus schöner. JUDITH LUIG

Der Guru

„Donnie Darko“, ein Independent-Film über einsturzgefährdete Paralleluniversen und Zeitreisen, in dem Jake Gyllenhaal zu den Songs von INXS mit Hilfe eines großen Hasen die Welt rettet: Das ist nicht gerade das, was einem sofort als passender Rahmen für die Schauspielkunst Patrick Swayzes einfällt. Einerseits. Andererseits: INXS und Riesenkarnickel, in „Donnie Darko“ macht viel Abwegiges auf einmal Sinn – und so auch Swayze in einer Nebenrolle. Mit Fönfrisur und penetrantem Optimismus spielt er einen Motivationsguru, der seine Kunde durch die Vorstädte posaunt: Nur in Liebe und nicht in Angst sollen die Menschen leben! Heimlich produziert er Kinderpornos und heult sich nachts in den Schlaf. Swayze ist unglaublich toll in der Rolle des Jim Cunningham, so klein sie auch angelegt sein mag. „Donnie Darko“ entstand vor sieben Jahren, die Geschichte spielt allerdings 1988. Swayze trägt folglich grenzwertige Kleidung und sieht im Grunde so aus, wie er in den späten 80ern, frühen 90ern tatsächlich aussah, als er seine Blockbuster-Kracher drehte. An Rollen in spleenigen, ambitionierten Indie-Produktionen war zu der Zeit nicht zu denken. Später dann schon eher wieder, als seine Filme grottiger wurden und die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit schwand. Dennoch unterstellt man in „Donnie Darko“ keine Sekunde, dass Swayze so ziemlich jedes Angebot wirklich nötig gehabt hätte. Dafür war sein Auftritt einfach zu saucool. JOANNA ITZEK

Der Rauswerfer

Es war das Jahr 1989, meine Kinoerfahrungen bislang beschränkten sich auf den Zeichentrickfilm „Aristocats“ und „Otto – Der Film“ und damals dachte ich, dass es keinen tolleren Mann als Ralph Macchio in „Karate Kid“ geben könnte. Es war der Sommer, in dem mich meine Cousine mit in die damals schrecklich weit entfernte Kleinstadt ins Kino nahm. Wir sahen „Road House“ – und ich sah Patrick Swayze mit anderen Augen. Ich hatte „Dirty Dancing“ auf Video rauf und runter geguckt, aber irgendwie gefiel er mir da nicht. Nicht als romantischer Liebhaber. Da war er nun auch fern von. Als Berufsrausschmeißer mit einem Hochschulabschluss in Philosophie befreit er in „Road House“ eine US-Kleinstadt von einem fiesen Geschäftsmann, er trägt enge schwarze T-Shirts über sichtbaren Muskeln und haut ständig irgendwo drauf, gegen oder jemandem eine runter, nebenbei verliebt er sich. Er ist unbestechlich, ungnädig und so was wie die düstere Variante von Marlon Brando in „Der Wilde“. Er spielt ohne Mimik, gibt es überhaupt Dialoge? Egal. Für mich war klar: Der würde kämpfen für mich, der würde mich nie verleugnen. Den oder keinen will ich – als großen Bruder.DANIELA ZINSER

Der Geist

Es gibt höchstens drei weitere Filmszenen, die mir derart präsent sind wie diese: Patrick Swayze, nur durch seinen faserigen Tänzerkörper bekleidet, die braunen Haare sauber ins Gesicht gelegt, nähert sich von hinten der unheimlich zarten, aschfahl ausgeleuchteten Demi Moore, die etwas verhuscht an ihrer Töpferscheibe sitzt. Er legt die muskulösen Arme um sie, liebkost ihren Hals, umhüllt ihre Hände mit seinen seerosengroßen Pranken – ein Ausdruck einer Liebe, die, wie „Ghost“ aus dem Jahre 1990 zeigt, über den Tod hinausgeht. Swayze hatte sich mit dieser Rolle, die Stars wie Harrison Ford, Alec Baldwin, Tom Hanks oder Tom Cruise abgelehnt hatten, bemüht, auch in ernsthafteren Rollenfächern Fuß zu fassen. Das ist ihm zwar nicht gelungen, aber immerhin hat er für mich mit dieser Rolle viel getan. Ich habe „Ghost“ gleich zweimal im Kino gesehen, obwohl ich gerade acht Jahre alt war. Löste er doch mein dringlichstes Problem: Ich war in eineiige Zwilinge verliebt, Sandra und Janine, zwei Jahre älter als ich, konnte mich aber nicht zwischen ihnen entscheiden. Nun ergab sich aber folgendes: Sandra fand den Film „irgendwie doof“, Janine liebte ihn – und so liebte ich sie. Auf diese Weise erwies Patrick Swayze mir einen sehr wichtigen Dienst – und band mir zeitgleich einen felsgroßen Bären auf. Denn fortan glaubte ich an die ewige Liebe. Nach rund sechs Wochen war es aus mit Janine. Aber danke, Patrick: Du hast mir zwar eine falsche Vorstellung von Liebe vermittelt, mich aber auch schon sehr früh Realität erfahren lassen. DANIEL MÜLLER

Der Surferboy

Als mein Onkel noch nicht mein Onkel war, hat er meinen kleinen Bruder und mich mit großer Geste zu sich nach Hause eingeladen. Er wolle uns etwas zeigen, hatte er geraunt, ganz so, als stehe uns eine entscheidende Lektion in unserer Mannwerdung bevor.Wir waren bereit.Erwartungsvoll hockten wir uns also an einem Sonntagnachmittag auf den Parkettboden seiner Wilmersdorfer Wohnung und beobachteten unseren designierten Onkel dabei, wie er eine Videokassette aus dem Regal nahm und behutsam in den Rekorder schob. Es war „Gefährliche Brandung“.Und so kam es, dass mein Bruder und ich unverhofft Bekanntschaft schlossen mit Bodhi, dem Anführer einer wilden Surfergang, in dem der Mann, der mal mein Onkel werden sollte, offenbar sein Alter Ego sah.Für mich verband die beiden nur ihr Hobby.Patrick Swayze spielte diesen surfenden Bankräuber, so ein Schönling, den ich davor nur aus Schmonzetten kannte: „Dirty Dancing“, Ghost“, „Fackeln im Sturm“ – Mädchenkino eben. Und deren Schwarm zeigte plötzlich sein hartes Gesicht, das mal dem von Ronald Reagan ähnelte, dann dem von Lyndon B. Johnson, Richard Nixon, Jimmy Carter. Denn bei ihren Überfällen trug die Bande Gummimasken mit den Konterfeis der Ex-US-Präsidenten.Nach dem Film waren mein Bruder und ich weder besonders heiß aufs Banküberfallen noch aufs Surfen, worauf mein Onkel in spe wohl spekuliert hatte, doch eins hatten wir begriffen: dass Patrick Swayze wohl doch kein Weichspüler ist, sondern ein richtiger Schauspieler, der sich in einer Branche behaupten muss, die bei Castings offenbar genauso vorurteilsbeladen ist, wie mein Bruder und ich es vor „Gefährliche Brandung“ waren.DAVID DENK

Der Gentleman

Über den Amerikanischen Bürgerkrieg wusste ich nur wenig, bevor ich 1987 zum ersten Mal im ZDF die „Fackeln im Sturm“ brennen sah: Die Nordstaatler waren die Guten, dachte ich, weil sie ja die Sklaven befreien wollten. Und im Süden regierte das Böse. So wurde „Fackeln im Sturm“ zu einer Lehrstunde in zwölf Teilen. Denn hier wurde differenziert. Auch im Norden gab es Böse! Und auch im Süden gab es höchst ehrenwerte Gentlemen. Der beste von ihnen, obschon mit einer unglaublichen Frisur ausgestattet, war Orry Main, Erbe der Baumwollplantage Mont Royal, aufstrebender Offizier der Konföderation, glaubwürdig dargestellt von Patrick Swayze. Gut, auch Orry hatte Sklaven – aber er sorgte dafür, dass sie gut behandelt wurden. Der Mann war in Ordnung. Ein aufrechter Freund. Ein sich sehnender Liebender. Und der große Bruder der durchtriebensten und schärfsten Weibsperson, die mir bis dahin im Fernsehen begegnet war: Ashley. Er wird mir fehlen.STEFAN KUZMANY

Der Außenseiter

Ich habe Patrick Swayze gehasst. Er war schuld daran, dass ich mit der Nachbarstochter gefühlte 100 Mal „Dirty Dancing“ schauen und danach irgendwelche Treppen runtertanzen musste, anstatt ein bisschen rumzuknutschen. „Fackeln im Sturm“, „Ghost“ – furchtbar. Aber ein Film mit ihm, der war dann doch groß: Francis Ford Coppolas Verfilmung des Teeniebuchs „The Outsiders“ von S. E. Hinton. Da spielte er mit viel Grease in den Haaren neben dem „Brat Pack“, wie man diese ganzen Jungspunde genannt hat: Ralph Macchio, Matt Dillon, Tom Cruise, Emilio Estevez, Rob Lowe. Allerdings muss man auch hier einschränken: So cool wie die anderen war Patrick Swayze selbst in dem Film nicht. Er spielte Darrel, den großen Bruder von Sodapop und Ponyboy, und spießte immer herum, während die Jüngeren mit ihrer Gang um die Häuser zogen. Für das „Brat Pack“ ist Swayze bis heute der große Bruder geblieben. „Ich habe meinen ‚Outsiders‘-Bruder verloren“, sagte Ponyboy C. Thomas Howell zu seinem Tod.WOLF SCHMIDT