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Klima-Minister Robert Habeck Vizekanzler beim taz lab

Wird Robert Habeck der Ludwig Erhard des 21. Jahrhunderts oder die Sorte Wirtschaftsminister, die schnell wieder vergessen ist? Es liegt an ihm. Aber vorher befragen wir ihn auf dem taz-Kongress.

Auch bei Fragen zum Ukraine-Konflikt ist Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck gefragt Michael Sohn / ap

Von PETER UNFRIED

taz lab, 28.02.2022 | Wenn man das Ministerium für Wirtschaft und Klima betritt, geht man direkt auf eine Wand zu, an der Fotos aller bisherigen Wirtschaftsminister hängen. Fett und zentral hängt da Ludwig Erhard, kleiner daneben und darunter alle anderen. Manche längst vergessen (Haussmann, Bangemann).

Man kommt auch nicht dran vorbei, anhand der Galerie sofort den Bedeutungsverlust des Ministeriums zu sehen. Am Ende hängen Altmaier, Gabriel, Zypries, Rösler und Brüderle.

Die asoziale Industriegesellschaft

Ein paar Meter entfernt stehen zwei Büsten: CDU-Politiker Erhard, der als „Vater des Wirtschaftswunders" gilt, und Karl Schiller (SPD), der Wirtschaftsminister von Willy Brandt Anfang der 1970er Jahre. Letzteren hatte Sigmar Gabriel zu seiner Ministerzeit da hinstellen lassen; vermutlich, um symbolisch zu verankern, dass die Wohlstandsgeschichte der Bundesrepublik im 20. Jahrhundert dank der Regie von Union und SPD zustande kam.

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Es ist die Geschichte der sozialen Marktwirtschaft, aber eben auch die Geschichte der fossilen – und damit heute auch asozialen – Industriegesellschaft.

Selbst wenn sich Union und SPD dagegen wehren: Sie ist vorbei. Selbstverständlich hat der neue Minister Robert Habeck beim Amtsantritt auch die Kontinuität betont, die Amtsvorgänger gewürdigt und die Bedeutung von Erhards sozialer Marktwirtschaft.

Mythos soziale Marktwirtschaft

Letzteres ist ein Mythos, den es für die Republik und das Ministerium zu pflegen gilt, keine Frage. Aber das Ministerium heißt jetzt „Wirtschaft und Klima“, womit das Problem (Erderhitzung wegen CO2-Ausstoß) und die Lösung (postfossile Wirtschaft ohne CO2-Ausstoß) so unauflöslich verknüpft werden, wie sie es in der physikalischen Realität sind.

Die Namensänderung ist ein Bruch und muss auch ein Bruch sein, damit das Neue anfangen kann, das die Kontinuität des freien und sicheren Lebens in der Bundesrepublik gewährleistet, würde jetzt ein Politiker sagen, der Veränderung bewerben muss. Und das ist auch so.

Keine ideologischen Fragen

Doch geht es nicht um großideologische Fragen, schon gar nicht um wohlfeiles Gerede von der Überwindung der „kapitalistischen Marktwirtschaft“ und dergleichen. Es sei denn selbstverständlich, man möchte die liberale Demokratie loswerden.

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Es geht auch nicht um Schrumpfung, denn die Expansion der Menschheit ist nichts, worüber man diskutieren kann. Die Weltbevölkerung wird wachsen und den Nationalstaaten des Südens ist das Recht auf Wohlstandszuwachs sicherlich nicht zu verwehren.

Wertschöpfung und Naturverbrauch entkoppeln

Im Zentrum jeder sozialen und gleichzeitig progressiven Politik kann daher nur eines stehen: die Arbeit daran, Wertschöpfung und Naturverbrauch zu entkoppeln. Wie geht das und welche Politik braucht es dafür? Das ist die Frage an den zuständigen Vizekanzler Robert Habeck beim taz lab.

Es geht um innovative Ordnungspolitik, um die richtigen Instrumente, welche die Sache voranbringen und gleichzeitig eine demokratische Mehrheit dafür gewinnen oder sichern. Wenn das Energiegeld nicht kommt, welche Innovationen kann es sonst geben zur Stärkung ärmerer Haushalte?

Innovative Ordnungspolitik und neue Instrumente

Was bringt die Abschaffung der EEG-Umlage wirklich für Einkommensschwächere? Wie könnten Mieter Geld vom Staat bekommen für Balkonkraftwerke, wie bisher die Garagenbesitzer für Ladeboxen? Was kann man denen anbieten, die ihr oder ein Auto abschaffen: eine Abschaffprämie?

Wie werden gerade die Grünen angesichts der drängenden Zeit gesellschaftliche Konflikte lösen und nicht verschleppen, wie werden sie mit Leuten wie „Die letzte Generation“ umgehen, die mit dem Label des „zivilen Ungehorsams“ Gesetze brechen, auf denen unser Staat und unsere Gesellschaft begründet sind?

Wenn man Robert Habeck richtig versteht, so ist die Transformation auf 80 Prozent Erneuerbare bis 2030 auch ein geopolitisches Machtinstrument, um die Abhängigkeit von Energie-Importen zu beenden, gerade auch von Russland.

Das Wirtschafts- und Klimaministerium könnte also ein politisches Zentrum werden, in dem viele Fäden in die Zukunft zusammengebracht werden. Oder sein Niedergang kann weitergehen, und Habeck hängt am Ende in der Galerie der Gescheiterten. Das allein wäre ja nun nicht weiter schlimm. Das Problem ist nur: Dann sind wir alle mitgehangen.