Gewitterwölkchen am Horizont

WIRTSCHAFTSKRISE Der Faire Handel hat in den letzten Jahren enorme Wachstumsraten erlebt. Noch ist von einem Rückgang der Umsatzquote nichts zu spüren

Einige Akteure sind wenig optimistisch: Im nächsten Jahr könnte die Krise den fairen Handel erreichen

„Im Moment ist die weltweite Lage des Fairen Handels noch sehr erfreulich“, sagt Jean Marie Krier, Urgestein des Fairen Handels in Österreich. Seit Jahren beobachtet der Ökonom die internationalen Entwicklungen. 2008 war der Jahresumsatz gesiegelter Produkte auf fast 2,9 Milliarden Euro gestiegen – das ist mehr als eine Verdreifachung innerhalb von fünf Jahren.

Auch bei den Erzeugern steigt die Nachfrage

Nicht nur in Europa und Nordamerika gibt es inzwischen faire Produkte zu kaufen. Auch in den Produzentenländern sind einige Konsumenten inzwischen bereit, für anständige Arbeitsbedingungen mehr zu bezahlen. In Mexiko sind faire Mangos und Maracujas, Kaffee, Sesam, Mais und Honig im Angebot, Vietnamesen können nun einen Tee namens „Betterday“ kaufen und in Südafrika gibt es seit 2008 nicht nur fairen Rooibos-Tee, sondern auch Wein und Kaffee.

Vor allem in England und den USA ging es mit dem Absatz 2008 erneut steil bergan. Dort lag die Zuwachsrate höher als das gesamte Fairhandels-Volumen in Deutschland. So gibt jeder Brite im Durchschnitt 14,39 Euro im Jahr für faire Produkte aus. Spitzenreiter ist aber nach wie vor die Schweiz mit 22,23 Euro pro Kopf. Dagegen nehmen sich die 2,59 Euro, die sich jeder Otto Normalverbraucher in Deutschland den Fairen Handel kosten lässt, vergleichsweise mickrig aus. Doch immerhin: 44 Prozent der Bevölkerung greift hierzulande inzwischen gelegentlich zu fairen Produkten – das sind 7 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. So konnte das Forum Fairer Handel auch für Deutschland ein kräftiges Umsatzplus von 38 Prozent für 2008 vermelden. Gemessen am gesamten Lebensmittelabsatz ist das allerdings verschwindend wenig: Der Faire Handel kommt gerade mal auf 0,2 Prozent.

Stefan Bockemühl, Geschäftsführer des Fairhandelshauses El Puente, ist davon überzeugt, dass die Menschen in Krisenzeiten mehr darüber nachdenken, was sie kaufen. Das wirke sich positiv auf den ethischen Konsum aus. In letzter Zeit sei der Faire Handel jedenfalls auch dann weiter gewachsen, wenn in anderen Läden Flaute herrschte.

Allerdings räumt auch Bockemühl ein, dass die aktuelle Krise bisher kaum auf den deutschen Arbeitsmarkt durchgeschlagen ist und auch sonst noch wenig Kaufzurückhaltung herrscht. Das aber könnte sich bald ändern – und so sind andere Akteure auch weniger optimistisch. „Im nächsten Frühjahr wird die Krise wohl auch den Fairen Handel erreichen“, vermutet Elke Ahrens von Brot für die Welt.

Rainer Ziesel, stellvertretender Chef der Fairhandelsgenossenschaft dwp, hat bereits leichte Umsatzrückgänge registriert. Vor allem bei Luxusprodukten wie etwa Zotter-Schokolade, bei der die 70-Gramm-Packung rund drei Euro kostet, halten die Leute das Portemonnaie jetzt häufiger geschlossen.ANNETTE JENSEN