Und wann kommt Schreiber?

Noch ist der Waffenlobbyist in Kanada, doch die Aussagen von Holger Pfahls belasten ihn schwer

MÜNCHEN taz■ Ob und wann Karl-Heinz Schreiber nach Deutschland ausgeliefert wird, bleibt auch nach den belastenden Aussagen von Holger Pfahls ungewiss. Seit 1977 besteht zwischen Deutschland und Kanada ein Auslieferungsvertrag – doch so sehr belastet wie im Fall Schreiber wurde das Abkommens noch nie. Im Jahr 1999 stellte die Augsburger Staatsanwaltschaft mit Unterstützung des Bundesjustizministeriums einen Antrag auf Schreibers Auslieferung. Ihm werden Steuerhinterziehung, Bestechung, Beihilfe zum Betrug und Untreue vorgeworfen, bereits seit 1997 wird er mit Haftbefehl gesucht.

Tatsächlich gilt der ehemalige Kaufmann und professionelle Lobbyist als Schlüsselfigur in jenem komplizierten Geflecht aus Schmiergeldern, Provisionen und Parteispenden, in das sich neben einer Reihe von Managern auch Walther Leisler Kiep, Max Strauß, Wolfgang Schäuble und Holger Pfahls mehr oder minder schwer verstrickt hatten. Ohne Schreiber, so hat es auch das Augsburger Landgericht immer wieder betont, werde sich der gesamte Komplex nie vollständig aufklären lassen.

Doch bislang konnte sich Schreiber seiner Auslieferung erfolgreich widersetzen. Dabei hatten die deutschen Behörden bereits 1999 einen wohlbegründeten Antrag samt umfangreicher Dokumente nach Kanada geschickt. Doch zunächst adressierte man die Postsendung falsch, dann verschwand auch noch ein Teil der Dokumente im Frachtraum einer Passagiermaschine. Am Ende war zwar alles wieder da, aber zu spät: Ein Termin zur Einreichung des Auslieferungsbegehrens war abgelaufen. Das Geschehen ähnelt der ebenfalls auf dem Weg zwischen zwei Behörden verschwundene Computer-Festplatte von Max Strauß, die später, um ein paar Daten bereinigt, wieder auftauchte.

Schreiber gewann durch diese Verzögerung die nötige Zeit, um alle verfügbaren juristischen Mittel und Tricks gegen seine Abschiebung auffahren zu lassen. Zudem besitzt er neben der deutschen mittlerweile auch die kanadische Staatsbürgerschaft. Dennoch hat Schreiber vor den kanadischen Gerichten bereits zwei Niederlagen erlitten.

Bereits 1999 entschieden die Juristen, dass der Auslieferungsantrag ordnungsgemäß sei. Schreibers Anwälte hatten argumentiert, dass das Abkommen zwischen den beiden Ländern nicht greife, weil es sich um – im Auslieferungsvertrag ausdrücklich ausgenommene – steuerrechtliche Vorwürfe drehe. Doch diese Argumentation wiesen die kanadischen Richter angesichts der Palette an Anklagepunkten zurück.

Vor einem Jahr urteilte ein Gericht in der Provinz Ontario, dass es trotz Schreibers doppelter Staatsbürgerschaft „hinreichende Gründe“ gebe, den Geschäftsmann und Geldverteiler nach Deutschland abzuschieben. Schreibers Anwälte haben gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt und drohen damit, bis vors oberste Gericht Kanadas zu gehen. Sollte Schreiber irgendwann ausgeliefert werden, was nicht unwahrscheinlich scheint, so dürften in jedem Fall noch ein paar Jahre vergehen, bis auch er in Augsburg auf der Anklagebank sitzt. JÖRG SCHALLENBERG