Sozialbehörde will Fakten schaffen

OFFENE JUGENDARBEIT Jugendämter sollen Träger laut Geheimpapier schon über Kürzungen informieren, bevor es einen Beschluss der Jugendhilfeausschüsse gibt. Die Sozialbehörde bestreitet den Vorgang

Will die Sozialbehörde bei den Kürzungen im Kinder- und Jugendbereich die bezirklichen Gremien ausbooten? Diesen Verdacht hegen Mitglieder des Jugendhilfeausschusses Altona, nachdem es dort am vorigen Montag zum Eklat kam. Jugendamts-Chefin Christiane Geng teilte kurz vor Sitzungsende mit, sie müsse noch vor der Sommerpause alle Träger informieren, die von Kürzungen betroffen seien. Das gehe aus einem Papier der Sozialbehörde hervor, das sie am selben Tag erhalten habe.

Wie berichtet, kursiert in Altona eine Kürzungsliste, nach der unter anderem zwei Jugendclubs und zwei Mädchentreffs geschlossen werden sollen. Damit soll die vom SPD-Senat ab 2013 verordnete Mittelkürzung um zehn Prozent erbracht werden. Doch es ist laut Kinder- und Jugendhilfegesetz Aufgabe der Jugendhilfeausschüsse, die Mittel zu verplanen. Sie entscheiden, ob die Kürzungen alle Einrichtungen gleichmäßig oder einzelne besonders stark trifft. Die Ausschussmitglieder, unter denen auch fünf Vertreter aus der Praxis sind, beschlossen deshalb aus Protest, dass wenn, dann alle Träger einen Warnbrief über Kürzungen erhalten sollten.

Zeitdruck besteht offenbar, weil die Ferien anstehen. Der SPD-Senat will die Kürzung noch vorher beschließen, doch die meisten Ausschüsse gehen in die Sommerpause. Langjährigen Mitarbeitern müsste schon zum 30. Juni gekündigt werden, um ihr Gehalt im Januar 2013 einzusparen. Der taz wurde ein Auszug aus oben erwähntem Behördenpapier zugespielt, in dem es darum geht, wie Bezirke und Behörde die Kürzung möglichst reibungslos umsetzen. Die Bezirksämter sollten die Kürzungsvorgaben konkretisieren, heißt es dort. Und wörtlich: „Wenn entsprechende Entscheidungen in den Jugendhilfeausschüssen nicht rechtzeitig zustande kommen, werden aufgrund der vorläufigen Planung die betroffenen Träger informiert und die Umsetzung vorbereitet.“

Die Sozialbehörde bestreitet das. „Meines Wissens kann es ein derartiges autorisiertes Papier der Behörde nicht geben“, sagt Sprecherin Nicole Serocka. Die letzte „offizielle Stellungnahme“ an die Bezirke sei von Anfang Mai. Man habe mit den Bezirksamtsleitern vereinbart, dass die Träger erst informiert werden, wenn die Jugendhilfeplanung abgeschlossen sei.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sozialdemokraten so doof sind“, sagt der Vizepräsident des Deutschen Familienverbands und Ex-SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer. Würden die Jugendhilfeausschüsse derart übergangen, wäre dies ein Skandal und „vordemokratisch“.

Unterdessen hat SPD-Sozialsenator Detlef Scheele am Freitag im Familienausschuss deutlich gemacht, dass er an seinen Sparplänen festhalten wird. Die öffentliche Anhörung am 29. Mai mit über 700 Menschen habe keine „gänzlich neuen Gesichtspunkte“ ergeben.  KAIJA KUTTER