Nach der Amokfahrt in Berlin: Waffe mit vier Rädern

Die tödliche Autofahrt in Berlin zeigt: Fußgänger müssen besser geschützt werden. Nötig sind Tempobegrenzer, mehr Poller und autofreie Zonen.

Blumen wurden zum Gedenken auf eine Stadtstraße gelegt

Berlin, Breitscheidplatz: Eine Lehrerin wurde durch die Amokfahrt getötet, zehn Menschen verletzt Foto: Paul Zinken/dpa

Wieder hat ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug Menschen schwer verletzt, einen tödlich. Ein Mann raste am Mittwoch an der Berliner Gedächtniskirche über Gehwege. Egal, ob es eine Amokfahrt, ein Anschlag oder ein Unfall war – der Vorfall zeigt, dass Fußgänger besser vor Autos geschützt werden müssen.

Das ist besonders dringend, weil in den vergangenen Jahren immer wieder Autos als Waffen benutzt wurden. 2016 tötete, ebenfalls nahe der Gedächtniskirche, ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen mehr als zehn Menschen. In London überfuhren Terroristen 2017 und 2018 gezielt Passanten. Ähnliche Vorfälle gab es in Nizza und Barcelona. Bei einer Amokfahrt im Dezember 2020 in der Trierer Fußgängerzone kamen fünf Menschen ums Leben.

Dazu kommen zahlreiche Unfälle, bei denen Fußgänger ohne Absicht mit Autos getötet worden sind. 2019 etwa raste ein Mann in der Berliner Invalidenstraße nach einem epileptischen Anfall mit einem „­Sportgeländewagen“, vulgo SUV, über den Gehweg, vier Menschen starben. Weil die Gesellschaft altert, könnte es in Zukunft mehr solcher Unfälle geben, bei denen Autofahrer aus gesundheitlichen Gründen die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren.

Auch deshalb muss der Staat automatische Tempobegrenzer vorschreiben, Vorrichtungen, welche die zugelassene Höchstgeschwindigkeit an einem Ort erkennen, etwa mithilfe von Satellitennavigation und digitalen Karten. Wenn das Auto zum Beispiel in einer Fußgängerzone fährt, könnte es der Tempobegrenzer bremsen.

Nur Geschwindigkeitswarner

Leider schreibt die Europäische Union, auch auf deutschen Druck hin, ab Juli nur einen Geschwindigkeitswarner in neuen Fahrzeugtypen vor. Der weist den Fahrer auf ein zu hohes Tempo hin – bremst aber das Auto nicht. Abgesehen davon müssen diese Geräte nur in Neuwagen eingebaut werden. Es werden weiter Millionen Autos ohne die Vorrichtung unterwegs sein.

Deshalb müssen die autofreien Gebiete ausgeweitet und so gebaut werden, dass Autos nicht unbefugt hineinfahren können. Das leisten zum Beispiel Poller. Sie können etwa per Schlüssel in den Boden gesenkt werden, um unverzichtbares ­Hineinfahren zu ermöglichen – alle anderen Autos bleiben draußen.

Im autovernarrten Deutschland ist das schwer durchzusetzen. Was den USA ihre Schusswaffen sind, sind uns unsere Autos: Jeder weiß, dass mit ihnen immer wieder Menschen getötet werden, aber die Hersteller haben bislang noch jede effiziente Gegenmaßnahme verhindert.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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