Ferda Ataman soll Antidiskriminierungsstelle leiten: Sie ist die Richtige

Nach vier Jahren wird die Leitung der Antidiskriminierungsstelle endlich wieder besetzt. Ferda Ataman fordert und ist deshalb die geeignete Kandidatin.

Ferda Ataman hat mittellange dunkle Haare, trägt eine Brille und ein Sakko und lächelt

Arbeitet schon lange auch mit queeren Menschen und Menschen mit Behinderung zusammen: Ferda Ataman Foto: Jörg Carstensen/dpa

Am Mittwoch gab die Bundesregierung bekannt, wer ihrer Meinung nach die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes übernehmen solle: Ferda Ataman.

Die Politologin baute die Organisationen Mediendienst Integration und Neue Deutsche Me­di­en­ma­che­r*in­nen (NDM) auf, publizierte als Autorin in diversen Medien und leitete zuvor einmal das Öffentlichkeitsreferat der Antidiskriminierungsstelle. Die Leitung der Stelle selbst war seit 2018 nur kommissarisch besetzt. Eine Person mit Migrationsgeschichte hat den Posten seit seiner Einrichtung 2006 noch nicht innegehabt. Zeit wird es.

Gerade in den letzten Jahren stiegen laut Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle die Anfragen zu Diskriminierungen aus rassistischen Gründen – allein um 78,3 Prozent von 2019 auf 2020. Es sind die Jahre, in denen Attentate wie in Hanau und Halle die Republik erschütterten. Zehntausende demonstrierten 2020 in ganz Deutschland nach dem Tod von George Floyd gegen rassistische Polizeigewalt auch hierzulande.

Immer mehr nicht-weiße Deutsche werden sichtbar und sie sind wütend. Sie fragen sich, was sich eigentlich seit den rassistischen Anschlägen der 90er Jahre geändert hat, warum sie in Führungspositionen nicht repräsentiert sind und warum sie beim Kritisieren all dessen immer freundlich bleiben sollen.

Da steckt kein Deutschenhass dahinter

Ataman bleibt zwar immer freundlich, aber sie spitzt auch gerne zu. Ja, sie bezeichnet Deutsche mal als Kartoffeln – mit einem Augenzwinkern. Da steckt kein Deutschenhass dahinter, sondern Lust an der Provokation. Und die funktioniert. Die aktuelle Kritik an Ataman nimmt zum Teil groteske Züge an. Ob denn Döner wirklich wie die Weißwurst zur deutschen Leitkultur gehören sollte? Warum nicht Sushi?

Neben allerlei Kritik lief diese Woche aber vor allem viel Zuspruch zur Personalie auf Twitter ein. Glückwünsche kamen etwa von Armin Laschet, dessen Redenschreiberin Ataman in Nordrhein-Westfalen war. Auch andere, die mit Ataman bereits gearbeitet haben, gratulieren. Denn Ferda Ataman besteht nicht nur aus einem Kartoffel- und Heimatzitat. Ihr Prinzip ist: zuspitzen, ein bisschen brüskieren, forschen, gemeinsam verändern. Medienschaffende kennen das aus Erfahrung.

Mit den Neuen Deutschen Me­di­en­ma­che­r*in­nen vergibt Ataman jedes Jahr den Negativpreis „Die Goldene Kartoffel“. Wahrscheinlich waren alle Medien schon mal dran, die taz jedenfalls schon, und das fühlt sich nicht gut an. Gleichzeitig sind die NDM der Verein in Deutschland, der glücklicherweise das Thema Diversität in Redaktionen erst groß gemacht hat, mit Daten gefüttert hat und auch mit einem eigenen Nachwuchsprogramm den Status Quo ändert.

Wer sich jetzt nur auf Atamans Krawallseite fokussiert, übersieht diese wichtige integrative Arbeit, die die Publizistin seit Jahren leistet, übrigens schon lange zusammen auch mit queeren Menschen oder Menschen mit Behinderung.

Nicht lieb fragen, sondern fordern

Dennoch ist ihre Krawallseite für alle sichtbar. Oder war es. Die Mehrheit ihrer Tweets der letzten Jahre hatte Ataman vor Verkündung ihrer neuen Position gelöscht. Für sie war das ein kluger Schritt, denn Ataman streitet wirklich ausgesprochen gerne und kann austeilen. So funktioniert Twitter. Andere sind aus ähnlicher Kurzatmigkeit ganz von dort verschwunden. Erinnern wir uns an Robert Habeck, der aktuell als rhetorische Lichtgestalt gilt, als Twitter-User aber abdanken musste.

Es ist gut für die Antidiskriminierungsstelle, wenn sie von einer Person geleitet wird, die nicht lieb fragt, sondern fordert. Und es ist gut für Ferda Ataman, wenn sie ihre Forderungen in dem neuen Amt nun so vortragen muss, dass sie ein breites Publikum erreichen.

Natürlich regt das die Rechten und Konservativen auf. Aber die Parlamentarier*innen, die nächste Woche über die Personalie Ataman abstimmen, sollten sich nicht von dem erwartbaren Shitstorm ablenken lassen. Aufgabe der Antidiskriminierungsstelle ist neben der wissenschaftlichen Arbeit und Beratung auch, Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen. Ferda Ataman ist dafür die Richtige.

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Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit April 2016. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. Aufgewachsen in Dresden. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. In der Chefredaktion verantwortlich für die digitalen Projekte der taz. Jahrgang 1985.

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