Wir fordern: Werbung für nachhaltige Produkte

… weil alle wissen, dass wir das wenigste davon wirklich brauchen. Ohne staatliche Interventionen ist ein bewussterer Konsum nicht möglich.

Geerntete Trauben in Behältnissen

Ernte von Bio-Weintrauben – der Handel macht das nicht ohne bestimmte Hilfe Foto: Guillaume Horcajuelo

BERLIN taz Panter Stiftung | Weil ich weiß, dass die Waren, die ich kaufe, viel zu oft in Plastik verpackt sind, versuche ich, den Verpackungsmüll, so gut es geht, zu vermeiden. Es wird eine zweite Verwendung für die Speiseeisschalen gefunden, die Kunststoffverpackung des Toilettenpapiers wird als Mülltüte verwendet und die Farbkübel dienen noch jahrelang als Putzeimer.

Weil ich es selbst gesehen habe, dass unzählige Plastikteile im Fangnetz eines Nordseefischers aus dem Wasser geholt werden, weiß ich, dass im Abfall viel Kunststoff in den Gewässern landet, nicht abgebaut werden kann und die Meerestiere daran verenden. Dieses Erlebnis hat unsere ganze Familie geprägt, wir sind zu fünft. Niemand in dieser Familie geht sorglos mit Neukäufen, der Art der Verpackung und dem Wegwerfen nach kurzer Nutzungsdauer um. Auch die Jüngste unter uns kann mit ihren sechs Jahren verstehen, warum umsatzstarke Branchen die Werbung dominieren, dies zu höherem Konsum führt und dass deswegen dafür gesorgt werden muss, dass nachhaltige Projekte und Produkte durch die 20-Prozent-Regelung bekannt werden.

Weil ich es gut machen will, erziehe ich unsere Kinder zu umsichtigen Menschen.

Ich versuche, so gut es geht, Lebensmittel zu kaufen, die nicht menschliches oder tierisches Leid verursacht haben, die saisonal sind und nicht um die halbe Welt zu uns gebracht wurden. Unsere Kleidung soll eine gute Qualität haben und wird viele Male weitervererbt, an Verwandte und Freunde mit kleineren Kindern, an Freundinnen mit Kleidergrößen, die ich mal hatte. Wenn es keiner braucht, bringe ich Kinderwagen, Inliner und Kleidung zum DRK-Laden. Pappkartons und Obstkisten aus Holz verbrennen wir im Ofen. Überhaupt werden nur die Räume geheizt, in denen wir uns tagsüber aufhalten. „Mach das Licht aus“ gehört seit meinen Kindertagen zum Familiengespräch wie „bitte“ und „danke“.

Dieser Text ist im Rahmen des Sommercamps der taz Panter Stiftung entstanden und spiegelt nicht die Meinung der taz-Redaktion wieder.

Weil ich weiß, dass das alles nicht reichen wird, bin ich frustriert.

Weil eine Ausgrenzung von Menschen stattfindet, die nicht bewusst nachhaltig leben, bin ich alarmiert. Die Menschen vertragen gegenwärtig keine weitere Spaltung mehr.

Weil immer jemand anderes weiß, dass das Gütesiegel für Lachs/Eier/Bio-Obst doch nicht hält, was es verspricht, bin ich resigniert.

Weil ich nirgends so viele Einwegkaffeebecher und Kunststoffteller sehe, wie in den Händen der Großstädter, von denen die Konsumkritik, der ­Klimaaktivismus und der Aufruf zum Verzicht kommen, bin ich genervt.

Weil bekannt wird, dass die Abfallwirtschaft ein großer Betrug ist und ich mir nicht vormachen soll, dass die Mülltrennung zu irgendetwas Gutem führt, bin ich desillusioniert.

Wenn die wirklich gute, tolle und wirksame 20-Prozent-Forderung real geworden ist, wird jemand herausfinden, dass die nachhaltigen Projekte, die diese Kapazität nutzen, auch wieder nur Greenwashing und Etikettenschwindel betrieben haben.

Die Regierung eines Landes, dessen Bür­ge­r:in­nen eingeredet wurde, sie hätten als Ver­brau­che­r:in­nen selbst die Macht, den Markt zu steuern und durch ihre Kaufentscheidung zu beeinflussen, was produziert wird und wie, die ist fein raus. Wenn diese Regierung will, dass ich mich um meine Arbeit, meine Kinder und auch noch ein bisschen um die demokratische Partizipation als Bürgerin kümmere, soll sie damit aufhören, mir die Pseudoverantwortung für Klima und Konsum rüberzuschieben.

Ab morgen soll sie sich darum kümmern, dass der irre Verpackungsmüll verboten wird (wer schon einmal ein Haus gebaut hat, weiß, wie ungebremst bei Baumaterialien Folie verschwendet wird). Sie soll sicherstellen, dass die Abfallwirtschaft zumindest bundesweit funktioniert und verlässlich das tut, was sie soll. Kinder sollen heranwachsen mit einem Gespür für einen nachhaltigen Lebensstil, sie sollen wissen, dass nicht immer mehr Besitz glücklicher macht.

Aber: Sie sollten nicht weiterhin Opfer der Verschiebung von Verantwortung an die Einzelnen sein. Die Regierung hat dafür zu sorgen, dass im Supermarktregal Qualitätslebensmittel stehen, hinsichtlich Produktionsbedingungen, Tierwohl und Klima. Gütesiegel gibt es nicht mehr, denn es gibt nur noch gute Lebensmittel.

Elektrogeräte sind von hochwertiger Machart und können sogar repariert werden. Bei der Anschaffung kann der Staat finanziell unterstützen – es wird sich lohnen. Die produzierten Gegenstände, vom Schirm bis zum Regal, müssen aus Materialien sein, die in der Kreislaufwirtschaft als Wertstoff eingesetzt werden können.

Seit der Zeitenwende und den Beschlüssen zu Rüstung und Energie kann niemand mehr sagen, dass unsere Regierung nicht die Kompetenz besitzt, grundlegende Entscheidungen zu ­treffen.

Ich will, dass der Tag beginnt in ­einem Land, in dem die Entscheidungen beim Einkaufen immer ­richtig sind. Die 20-Prozent-Werbung für nachhaltige Projekte wird uns rückblickend ­daran erinnern, wie es mal war. Und wir werden es kaum glauben ­können.

SONJA BAUER

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