Ein Vertreter des alten Bremen

GESELLSCHAFT Freimaurer, Architekt, Kunsthallen-Mäzen, Meierei-Aufbauer: Mit Wilhelm Klocke ist, im Alter von 89 Jahren, ein prototypischer Protagonist hanseatischer Bürgerlichkeit gestorben

Wer bereits als 23-Jähriger sein Studium als Hochbauingenieur beendet hat, kann zwei Generationen angehören: Der heutigen Absolventenschaft, für die ein kurzes, berufsorientiertes Studium ohne lästigen vorgeschalteten Zivildienst – beziehungsweise militärische Ersatzhandlung – einen Eigenwert darstellt, den ihre Vorgänger in den 1970er, 1980er oder 1990er Jahren mehrheitlich nie so gesehen hätten. Oder aber der Generation, die der Not der Nachkriegszeit gehorchend ebenfalls möglichst schnell produktiv sein musste. Wilhelm Klocke, der vor wenigen Tagen 89-jährig starb, hatte mit Bologna-modularisiertem Karrieredenken nichts am Hut: Er war ein geradezu idealtypischer Protagonist jenes traditionellen Bürgersinns, der auch weit jenseits seines beruflichen Eigenbedarfs Verantwortung übernimmt.

In Abgrenzung zum ebenfalls Gemeinwohl-orientierten Typus des Bürgerinitiativlers, der vollbärtig und langhaarig sein kann, gehörten zu Klockes Version des Bürgersinns der Habitus, sämtliche Insignien und einschlägige Mitgliedschaften, die Bremen zu bieten hat. Dazu gehört der Stammtisch „Niedersachsenrunde von 1900“ und natürlich der „Club zu Bremen“, dem Klocke bereits seit 1962 angehörte, einer der ältesten deutschen Gesellschaftsklubs. Das identitätsstiftende Leistungsethos solcher Vereinigungen, das in Bremen auch durch die calvinistische Prägung des hiesigen Protestantismus ausgesprochen präsent ist, verkörperte Klocke in besonderer Weise – mit allen Vor- und Nachteilen. „Erfolg war für ihn eine persönliche Verpflichtung“, beschreibt ein Wegbegleiter den unerbittlichen Anspruch Klockes an sich selbst.

Glücklicherweise hatte er den für existentiell notwendig gehaltenen Erfolg tatsächlich: Wer im Bürgerpark bauen darf, hat in Bremen alles erreicht. Von Klocke, der sich bereits 1951 als Architekt selbstständig machte, stammen beispielsweise die Wiederaufbauten von Meierei und Waldschlösschen.

Klocke war der erste Präsident der Bremer Architektenkammer und einer der zuverlässigsten Mäzene der Kunsthalle, zudem ein Repräsentant der Bremer Freimaurer-Tradition. Er gehörte zu denjenigen in den Logen, die sich sehr offensiv um eine Öffnung bemühten. Insbesondere der Nimbus geheimer Männerbündelei war Klocke ein Dorn im Auge: Im Hintergrund war er maßgeblich daran beteiligt, dass das Focke-Museum 2006 mit der großen Ausstellung „Licht ins Dunkle“ das Thema Freimaurerei aus seiner Mystifizierung lösen konnte.

Während der Ausstellung waren auch einige der großen Bremer Logenhäuser für Besichtigungen zugänglich, wofür Klocke nicht nur seine eigene Herder-Loge gewinnen konnte, sondern auch etliche weitere. Praktisch ausgedrückt: Einmal bei den Freimaurern auf Klo gewesen zu sein, ist ein wirkungsvolleres Mittel gegen die überbordende Klischee- und Legendenbildung, als etliche theoretische Aufklärungsversuche. Eine solche Betrachtungsweise wäre Klocke allerdings fremd gewesen. Henning Bleyl