Anstehende Bürgerschaftswahl in Bremen: AfD darf sich selbst zerstören

Die AfD ist nicht zur Bürgerschaftswahl zugelassen, das entscheidet der Wahlbereichsausschuss. Sie hatte zuvor zwei konkurrierende Listen eingereicht.

Ein Container voller ungenutzter AfD-Werbeflyer von der Bundestagswahl wird geschreddert

Die AfD kann in Bremen ihre Werbung in die Tonne treten – so wie im Bild die Bundesagswahl-Flyer Foto: Patrick Pleul / dpa

BREMEN taz | Im Wahlbereich Bremerhaven darf die AfD wahrscheinlich zur Bürgerschaftswahl antreten. Im deutlich größeren Wahlbereich Bremen hingegen hat sie nur noch theoretische Chancen, am 14. Mai 2023 auf dem Stimmzettel zu stehen: Einstimmig hat der zuständige Wahlbereichsausschuss entschieden, dass die entsprechenden Listen unzulässig sind. Die Bestätigung durch den Landeswahlausschuss soll kommenden Freitag erfolgen. Damit dürfte die AfD auch in der dritten Legislatur in Folge in Bremen am Ende ohne Fraktion dastehen.

Denn auch wenn das komplexe Bremer Wahlrecht, das allen Stimmberechtigten gestattet, fünf Kreuze über Listen und Kandidierende zu verteilen – auf der passiven Seite gilt der Grundsatz: Doppelt bewerben geht gar nicht. Jede Partei darf nur einmal auf dem Wahlzettel stehen. Und in Bremen hatte die AfD zwei Kan­di­da­t*in­nen­lis­ten eingereicht, eine am 6. Dezember 2022, eine am 16. Januar 2023.

Beide haben Menschen unterschrieben, die sich für den wahren Landvorstand derselben Partei halten. Der eine, der als Rumpfvorstand bezeichnet wird, weil kein Kandidat die erforderliche Mehrheit für den Posten des Vorsitzenden bekommen hatte, war bei einem Parteitag am 8. Mai 2022 gewählt worden.

Dann aber hatten ihn Menschen, die sich für das Landesschiedsgericht der AfD halten, aufgrund einer Beschwerde aus dem Kreisverband Bremerhaven im Herbst abgesetzt und wiederum einen Notvorstand inthronisiert. Kurioserweise ist der ursprüngliche Konflikt in Bremerhaven offenbar beigelegt. Die Beschwerde wurde mittlerweile zurückgezogen. Und es waren auch die Rümpfe um Sergej Minich, die dort die Liste eingereicht haben, die formal nicht zu beanstanden ist.

Bundesvorstand contra Bundesschiedsgericht

Aber während der Bundesvorstand sich an deren Seite gestellt hat – als Vertrauensmann der Rümpfe filibusterte der Bundestagsabgeordnete Fabian Jacobi vom Stehplatz in der rechten Saal-Ecke – hält die Parteigerichtsbarkeit der Not-Combo die Stange. Diese nun hatte, ohne erkennbare Not, zu einem sehr frühen Zeitpunkt per Zeitungsannonce zu einer Mitgliederversammlung aufgerufen, ohne freilich die Mitglieder vorab zu kontaktieren. „Wir bekamen ja die Adressen nicht“, erklärte der Notvorstandsvorsitzende Heinrich Löhmann das Vorgehen.

Der vierschrötige Elektromeister Löhmann aus Syke hat seit 2019 eine Bremer Meldeadresse und ist seit 2021 Mitglied der Bürgerschaft. Sein Vorgänger Mark Runge war im Alter von 38 Jahren überraschend gestorben. Der Darstellung, eine reguläre Ladung zur Aufstellungsversammlung habe es nicht gegeben widerspricht er energisch: „Das hat der Bundesvorstand für uns erledigt“, so Löhmann auf Nachfrage der taz.

Tatsächlich hatte der Bundesvorstand alle Partei-Mitglieder in Bremen in dieser Angelegenheit angeschrieben. Allerdings hat er sie dabei aufgefordert, die besagte Annonce zu ignorieren, weil allein die Rümpfe um Sergeij Minich handlungsbefugt seien. „Dadurch sind ja alle auf unsere Anzeige im Weser-Kurier hingewiesen worden“, bewertet Not-Löhmann diese Mitgliederinfo gegen ihre Intention als vollwertigen Ersatz für eine ordnungsgemäße Ladung.

Das ist einigermaßen Rechtsstaatsfern: Die Einladung aller Stimmberechtigten ist entscheidend, um das Demokratieprinzip zu wahren. Darauf hatte zuletzt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hingewiesen: „Für die Einhaltung der Wahlgrundsätze kommt es also entscheidend darauf an, ob die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ladung erfüllt sind und den Teilnahmeberechtigten damit ermöglicht wird, ihr Wahlrecht in der Versammlung auszuüben“, heißt es in einem Sachstandsbericht aus dem Frühjahr 2022. Dabei spreche vieles dafür, dass „für die Gültigkeit der Kandidatenaufstellung nachrangig“ sei, ob die korrekte Ladung auch durch den korrekten, also „ordungsgemäß bestellten Vorstand“ erfolgt sei.

Insofern steht auch die Bremerhavener Zulassung der von den Rümpfen unterzeichneten Liste nicht im Widerspruch zur Entscheidung in Bremen, betonte Wahlbereichsleiterin Carola Jansen nach der Ausschussitzung: „Dort war nur eine Liste eingereicht worden – insofern musste auch nicht über eine parteiinterne Konkurrenz entschieden werden“: Dazu wiederum sei weder sie noch der Ausschuss befugt.

„Das wäre ein Eingriff in die Autonomie der Parteien“. Die wird vom Grundgesetz garantiert, und „ganz wesentlich gehört dazu die Freiheit, sich selbst zu organisieren“, so Jansen. Und natürlich ist es dabei egal, welche zerstörerischen Formen die Wahrnehmug dieser Freiheit annimmt.

Dass die AfD in Bremen an dieser basalen Aufgabe schon seit jeher scheitert, hat sich bislang nicht im Wahlergebnis niedergeschlagen: Noch immer wird sie von Umfragen auf etwa 7 Prozent taxiert. Erstmals hatte sie 2015 die Fünfprozenthürde in einem der beiden Bremer Wahlbereiche überwunden – doch drei der vier Abgeordneten verschwanden umgehend mit Bernd Lucke in der Bedeutungslosigkeit.

Die größten Erfolge der Bremer AfD

Der vierte, Björn Höcke-Freund Alexander Tassis, wurde mit einem Parteiausschlussverfahren überzogen. Zwar blieb das erfolglos: Dennoch lebt Tassis sein völkisch-nationalistisches Engagement seit 2019 nur noch außerparlamentarisch aus. Angesichts dieser Performance beachtliche 6,1 Prozent landesweit erhielt die AfD bei der damaligen Bürgerschaftswahl, also fünf Mandate – Fraktionsstatus. Jedoch hatte die sich nach drei Monaten in ihrer Einzelteile zerlegt.

Größter politischer Erfolg der Partei war in Bremen der bislang unaufgeklärte Angriff auf ihren Frontmann Ralf Magnitz im Januar 2019. Der damalige Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete war auf dem Heimweg von einem Neujahrsempfang überfallen und verprügelt worden. Entgegen seiner Darstellung war er jedoch weder getreten noch mit einem Kantholz geschlagen worden.

Während der Hintergrund der Tat bis heute ungeklärt ist, betrieb Magnitz mit einer Pressemitteilung noch vom Krankenhaus aus PR-Arbeit: „Wir haben die gesamte Nation aufgerüttelt und einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, was uns sonst nie gelungen wäre!“, rühmte er sich, den Überfall in eine politisches Verbrechen umgemünzt und für den Wahlkampf genutzt zu haben. „In Bremen selbst dürfte das Thema bei denen, die unsicher, aber uns nicht gänzlich abgeneigt sind, für Sympathien gesorgt haben.“

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