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AUSLÄNDER SPD und Grüne wollen Bremer Kindern die Einbürgerung erleichtern: Beim Ermessen sollen die Behörden-Mitarbeiter zukünftig die Menschenrechte beachten

■ Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention fordert: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob von öffentlichen oder privaten Einrichtungen […] getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“

■ In Artikel 7 heißt es dann ganz konkret zum Thema der Staatsangehörigkeit: „Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat […] das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben [...].“

■ Auch das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit verlangt in Artikel 6: „Jeder Vertragsstaat erleichtert in seinem innerstaatlichen Recht Personen den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit [...], die in seinem Hoheitsgebiet geboren sind und sich dort rechtmäßig und gewöhnlich aufhalten.“  (taz)

von Georg Kirsche

Spielt man als junger Ausländer erfolgreich Fußball, so ist die Einbürgerung ganz einfach: Es bräuchte nur ein Wort von Jogi Löw, dass der einen für die Nationalmannschaft aufstellen will. Für normal-sportliche Flüchtlingskinder ist das dagegen nicht so leicht. Und noch höher ist die Hürde für Kinder, die aus „humanitären Gründen“ in Deutschland bleiben dürfen.

Ihnen wollen SPD und Grüne in Bremen nun den Weg zum deutschen Pass erleichtern. Über die Initiative der Koalitions-Fraktionen soll in der Landtagssitzung der Bürgerschaft im Dezember entschieden werden.

Die Menschenrechte, die UN-Kinderrechtskonvention sowie das „Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit“ führt der Antrag an. All das müsse „dazu führen, dass den hier aufgewachsenen und verwurzelten Kindern eine erleichterte Möglichkeit der Einbürgerung angeboten werden muss“. Dabei seien „die vorhandenen rechtlichen Spielräume voll auszuschöpfen“.

Dass das bislang nicht so gehandhabt wurde, hat der Bremer Rechtsanwalt Jan Sürig in vielen Fällen erfahren. Er vertrete derzeit mehr als 20 Kinder, deren Einbürgerung gescheitert sei: „Ihre Anträge wurden alle mit der Begründung abgelehnt, dass sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen.“ Auch sein wiederholter Hinweis auf das Verbot von Kinderarbeit habe nicht geholfen. „Die Kinder werden dafür bestraft, dass ihre Eltern zu wenig verdienen“, so Sürig.

Von seinen Erfahrungen hatte er auch den Politikern berichtet. Dass Rot-Grün nun Abhilfe schaffen will, findet er „super“. Vor allem, dass endlich auch über Einbürgerung gesprochen werde. Die Integration von Heranwachsenden nicht durch unsicheren Aufenthaltsstatus zu verhindern, ihnen Perspektiven zu geben, dafür sorgte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bereits seit 2010 mit einem Erlass. „Aus humanitären Gründen“ konnte bei „guter Integration“, etwa vierjährigem Besuch einer deutschen Schule, Sprachkenntnissen und Straffreiheit, ein Aufenthalt gewährt werden. Das betraf vor allem Menschen, die seit Jahren in Bremen nur „geduldet“ sind, weil sie nicht abgeschoben werden können. Solche „Kettenduldungen“ auf „ein Minimum zu reduzieren“, steht als Ziel im Koalitionsvertrag.

Anfang 2012 lebten immer noch fast 2.000 Menschen in Bremen mit einer Duldung. Viele Hundert konnten den „humanitären“ Aufenthaltsstatus beantragen. Allerdings: Mit dem „humanitären“ Aufenthaltsstatus besteht kein Anspruch auf Einbürgerung. Auch für Kinder nicht. Über Anträge entscheidet die Behörde nach Ermessen.

„Ermessensspielraum“ besteht dabei vor allem bei Paragraf 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Das ist zwar ein Bundesgesetz, aber für deren konkrete Ausführung ist das Land zuständig. Derselbe Paragraf ist auch für Spitzen-Fußballer relevant. Obgleich es für sie keine UN-Konventionen gibt, die ihr Wohl in den Vordergrund behördlichen Handelns stellt, kann ihnen nach drei Jahren ein deutscher Pass ausgestellt werden. Das gilt auch für andere Sportler, Künstler oder Wissenschaftler, an deren Einbürgerung ein „öffentliches Interesse“ besteht.

Die rot-grüne Initiative zielt auf die Praxis des Stadtamts: Die MitarbeiterInnen der Einbürgerungsbehörde sollen dazu gebracht werden, die UN-Kinderrechtskonvention einzuhalten. Die hatte auch Deutschland 1992 ratifiziert, allerdings unter ausländerrechtlichen Vorbehalten: Wie Österreich bestand man darauf, auch Kinder in den Abschiebeknast stecken zu dürfen. Aber auch diese Einschränkung ist mittlerweile gefallen: Die schwarz-gelbe Bundesregierung zog ihre Einwände offiziell zurück. Seit Juli 2010 gilt die Konvention in Deutschland ohne Wenn und Aber. Einschließlich Artikel 3 (siehe Kasten).

Nur die Umsetzung in den Ländern hinkt der Rechtswirklichkeit hinterher: Gerade auch bei der Bremer Einbürgerungsstelle sei man noch ziemlich „von gestern“, sagt der Vertreter einer Flüchtlings-Beratungsstelle, „und zwar schlimmer als in der Ausländerbehörde“. Wenn ein Schwarzer einen deutschen Pass bekommen will, werde bei der Einbürgerungsstelle merklich zögerlich reagiert.