Im Musikgenrekarussell

GENRESWITCHING Die Dresdener Musikkabarettistin Annamateur kommt mit ihrer Band Außensaiter und einer neuen Show inklusive Tageslichtschreiber in die Schwankhalle

Auf die Folien eines Tageslichtprojektors malt sie zum Beispiel kleine Männchen, die sich erst gegenseitig mit ihren Penissen und dann mit Kampfflugzeugen herausfordern

VON JENS LALOIRE

Vor zwei Jahren spielte sie an einem Donnerstagabend im Juli im kleinsten Zirkuszelt auf der Breminale und begeisterte selbst jene, die nicht mehr ins Zelt passten, sondern davorstanden und sie nur hören, aber nicht sehen konnten. Kein Wunder, denn allein ihr Organ ist schon ein Erlebnis. Mal röhrt sie wie Janis Joplin, mal erinnert sie an Jazzgrößen wie Billie Holiday, dann haucht sie einen Song wie eine französische Chanteuse ins Mikrofon. Anna Maria Scholz, besser bekannt als Annamateur, ist musikalisch vielseitig, was nicht überrascht, wenn man ihren Lebenslauf betrachtet: Aufgewachsen ist die 34-Jährige in einer Dresdener Musikerfamilie. Vater und Mutter lehren Musik, sie selbst lernte, so wie ihre drei Geschwister, mehrere Instrumente. An der Querflöte wurde sie in der Spezialschule für Musik Dresden ausgebildet und nach dem Abitur studierte sie Gesang im Bereich Jazz/Rock/Pop an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber.

Es ist jedoch nicht ausschließlich ihr Gesangstalent, das ihre Auftritte so besonders macht, sondern es ist die Mischung aus Musik, Theater und Kabarett. Wer sie auf der Breminale nur hören, aber nicht sehen konnte, hatte deshalb die Hälfte verpasst. Annamateur ist nämlich das, was man eine „Rampensau“ nennt. Diese Frau liebt die Bühnenshow, sie switcht nicht nur zwischen diversen Musikgenres, sondern schlüpft permanent in neue Rollen – mal gibt sie die Esoterikerin oder die naiv verschüchterte Anfängerin, im nächsten Augenblick den wuchtigen Vamp oder die derbe Diva, die ihre Musiker beschimpft und ihr Publikum zurechtweist.

Bei diesen Rollenwechseln profitiert sie von ihren Schauspielerfahrungen. Seit 1999 ist sie in mehreren Theater- und Varietéstücken zu sehen gewesen, die sie teilweise selbst geschrieben hat. Inzwischen ist sie dreimal zur Dresdnerin des Jahres gewählt worden, hat zahlreiche Kleinkunst- wie Kabarettpreise abgesahnt und tourt regelmäßig durch Deutschland. Publikum und Medien feiern sie, die Dresdener Zeitung schrieb, dass sie ein „wahres Stimmwunder“ sei, das „mit der Wucht eines Naturereignisses“ auf der Bühne stehe. Das trifft es ganz gut, denn hier füllt jemand das viel bemühte Wort „Powerfrau“ voll und ganz aus. Wenn Anna Maria Scholz auf der Bühne steht, dann kracht es, dann gibt es kein seichtes Konzert oder klamaukige Comedy, das ist vielmehr Kabarettpunk, auch wenn die Musik zwischen Jazz, Rock und Pop changiert. Diese Dame ist auf kreativen Krawall gebürstet, hat Kraft, Kanten und Krallen. Ihre eigenen deutschsprachigen Songs haben Wortwitz, sind bissig und nehmen sich nie zu Ernst. „Ein bisschen Bulimie stünde mir gut“, singt die Sängerin mit der kräftigen Statur, oder: „Mein Busen hat mir mein Leben versaut.“ Aber auch die leisen Töne gelingen ihr: „Um nicht allein zu sein, schlaf ich mit dir.“

Still und sanft bleibt es jedoch nie lange, manchmal steigert sie sich inmitten eines Songs in Ekstase und füttert das Publikum mit purer Satire. In ihrem neuen Programm „Screamshots: ein musikalisches Overhead-Projekt“ agiert sie außerdem als Zeichnerin. Auf die Folien eines Tageslichtprojektors malt sie zum Beispiel kleine Männchen, die sich erst gegenseitig mit ihren Penissen und dann mit Kampfflugzeugen herausfordern. Die Overhead-Projektor-Skizze mündet alsdann in einen Song über das Führen von Kriegen. Mit dabei auf der Bühne ist ihre Begleitband Außensaiter, bestehend aus Christoph Schenker und Samuel Halscheidt, die mit Gitarre und Cello Annamateurs Musikgenrekarussell zusätzlichen Schwung verleihen und das Ganze zu dem machen, was es ist: Musikkabarett der Extraklasse.

■ Samstag, 20 Uhr, Schwankhalle