KUNSTPROJEKT AUF DEM BEBELPLATZ
: Stühle wie Feuer und ein Denkmal zum Downloaden

Vor zehn Tagen sollte hier die Revolutionäre 1.-Mai-Demo enden, jetzt wird der Bebelplatz „ein Ort zum Lesen“. Diesen Titel gibt Jürgen Breiter dem Kunstprojekt, bei dem er heute in Erinnerung an die Bücherverbrennung zwischen Staatsoper und alter Bibliothek 50 Stühle aufstellt. Darauf liegen Bücher aus – Bücher, die 1933 verbrannt wurden und nun Passanten zum Lesen einladen, etwa Kästners „Fliegendes Klassenzimmer“.

Rot, orange und braun sind die Stühle. „Die Farben des Feuers“, sagt Jürgen Breiter. Der „Urban Curator“ will sein Projekt künftig unter dem Arbeitstitel „Ein Ort zum Lesen 2.0“ in digitaler Form fortführen. Dazu schlägt er eine „Medienskulptur“ für den Platz vor. Per Smartphone sollen Interessierte Leseproben und Audiodateien aus der Bibliothek der verbrannten Bücher herunterladen können.

Unscheinbar solle die Skulptur aussehen, „sich in den Platz integrieren wie ein Stadtmöbel“, sagt Breiter. Er wirbt für seine Idee auf der Konferenz für Kultur und Informatik der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), die heute und morgen im Pergamonmuseum stattfindet.

In analoger Form findet das Projekt schon zum vierten Mal statt. 2009 begann Breiter mit zehn Stühlen und Büchern, ein Jahr später waren es 50, dann 100. Weil er die Erfahrung machte, dass zu viele Stühle das Publikum eher hemmen, werden es jetzt wieder 50 sein.

Breiter teilt sich den Platz mit der Bundestagsfraktion der Linken. Sie veranstaltet wie jedes Jahr das „Lesen gegen das Vergessen“. Zwei Stunden lang lesen prominente Politiker und Künstler aus den gebrandmarkten Büchern vor. Auch die 101-jährige Elfriede Brüning wird an der Feier teilnehmen. Die Schriftstellerin hat die Bücherverbrennung 1933 miterlebt. ANDRÉ FRANKE