Mutter-Musiker Max Müller über Soloalbum: „Lieber was Nettes singen“

Der Berliner Mutter-Sänger Max Müller über die wunderschöne Donau, privilegiertes Motzen und weshalb ihm die Musik von Herbert Grönemeyer Stress bereitet.

Sänger Max Müller liegt während seines Konzerts auf dem Boden zwischen Bierkästen, singt dabei ins Mikrofon

Schert sich ums Niveau: Max Müller vor einigen Jahren bei einem Konzert seiner Band Mutter Foto: Tanja Krokos

taz: Herr Müller, die 32 Stücke auf „Was weiß ich“ klingen sehr skizzenhaft, gerade die Instrumentals. Sie haben die Songs allein in einem Studio aufgenommen.

Max Müller: Ich hab die Musik komplett zu Hause aufgenommen. Sie ist am Rechner entstanden, ich war nicht in einem Studio.

Auf dem Cover ist aber „Gotenstudio“ als Aufnahmeort angegeben.

Ja, da wohn ich. Das ist die Berliner Straße, in der ich lebe.

Verstehe. Auf „Was weiß ich“ sind musikalische Einflüsse zu hören, die man von Ihnen, ob solo oder mit Ihrer Band Mutter, noch nicht kennt. Man ahnt die Krautrockband Neu! zum Beispiel, ja sogar Disco. Sind Sie mit einer konzeptuellen Idee an Ihr neues Album rangegangen?

Das Konzept ist, dass es eigentlich kein Konzept gibt. Mit der Band ist das auch nicht sehr anders. Wenn ich die Sachen im Alleingang realisiere, bin ich natürlich noch freier. „Das klingt schön“, „Das gefällt mir“ reichen als erste Urteile, und von da aus bearbeite ich die Skizzen dann weiter. Dass die Stücke so kurz geraten sind, ist aber schon Absicht. Das wollte ich so.

Ist ein Soloalbum eine Möglichkeit, Musik zu machen, die mit Ihrer Band so nicht möglich ist?

geboren 1963, ist Sänger der Berliner Noise­rockband Mutter, die seit ihrer Gründung 1986 in wechselnden Besetzungen 13 Alben veröffentlicht hat. Davor spielte er in der Punkband Honkas und der Noiseband Camping Sex. „Was weiß ich“ (Fidel Bastro/Broken Silence) ist sein viertes Soloalbum. Davor erschienen „Max Müller“ (1995), „Endlich tot“ (1999) und „Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war“ (2008). Außerdem hat Müller mit Gundula Schmitz den Soundtrack zu Jörg Buttgereits Horrorfilm „Schramm“ (1994) komponiert.

Live: 16. 6. „Hafenklang“ Hamburg, 22. 6. „Monarch“ Berlin.

Ich komponier die Stücke eh alle selbst, auch die für Mutter. Und wir haben mit der Band ja auch schon alles gemacht. Ich finde eigentlich, dass bei jedem Musikstil etwas dabei ist. Es gibt nichts, was ich komplett schrecklich finde. Deshalb ist auf dem neuen Album musikalisch auch so viel durcheinander. Aber es ist trotzdem rund, weil es halt von mir ist.

Der Begriff, der mir zu Ihrer Musik spontan einfällt, ist „Eigensinn“. Aber Verweigerung interessiert Sie gar nicht, oder?

Nein. Wir waren mit Mutter immer offen. Keiner von uns würde Musik machen, wenn wir uns ständig irgendwas oder irgendwem verweigern müssten. Wozu? Macht keinen Sinn für mich! Mir macht das ja total Spaß. Viele andere Sachen langweilen mich halt, die sind mir zu simpel.

Wenn jemand sperrige oder eben eigensinnige Musik macht, entsteht schnell der Verdacht, er würde das große Publikum fernhalten wollen.

Im Gegenteil. Ich will ja, dass alle Menschen zu mir kommen und sich das anhören. Umgekehrt finde ich andere Musik sperrig, die von Herbert Grönemeyer zum Beispiel. Mit der hab ich echt Schwierigkeiten.

Grönemeyers Musik erzeugt beim Hören massiven Stress, das kann ich bestätigen.

Aber es ist mir auch wurscht, ich bin einfach nur immer wieder überrascht, in was für einem Universum ich lebe und in was für einem Universum andere leben. Mich verblüfft, dass man die Musik von Herbert Grönemeyer zum Beispiel als total locker empfinden kann. Das tut mir sehr leid, aber da komm ich einfach nicht dahinter.

Ihr neues Album „Was weiß ich“ beginnt im Auftaktsong mit einem Wunsch: „Es könnte alles schön sein / Wenn die Leute nicht mehr schimpfen würden“. Gab es irgendwann einmal das Bedürfnis, so etwas wie einen Protestsong zu schreiben?

Dieses ständige Gemotze über Sachlagen, die ich vielleicht auch nicht toll finde, aber die irgendwie halt dazugehören … Ich hab schon mit meiner Punkband in Wolfsburg Anfang der achtziger Jahre versucht, andere Texte zu machen. Nicht immer gegen Bullen und so was. Wenn man über Dinge länger nachdenkt, sind die oft auch gar nicht mehr so schrecklich.

Warum ist das so?

Wir meckern drüber, weil wir hier in einem ziemlichen Luxus leben. Vieles ist auch einfach gar kein Problem. Den Ansatz hatte ich schon mit 15 oder 16. Lieber was Nettes singen. Das stößt dann aber auch wieder viele Leute vor den Kopf.

Hat Punk für Ihre Musik heute eigentlich überhaupt noch eine Bedeutung?

Nein. Es gibt ja gerade wieder ein Revival, da bin ich total baff. Die Musik klingt genauso wie damals.

Sie meinen Bands wie Team Scheiße, Pisse und so weiter?

Ja, die sind alle okay, aber ihre Musik greift eben etwas Altes noch mal auf. Punk war eine Zündung, um sagen zu können, jeder kann ein Instrument spielen. Was ja überhaupt nicht stimmt, aber das wusste ich damals nicht. Ich spiele bis heute Gitarre und kann es eigentlich nicht. Ich mach Musik und hab das nie gelernt. Ich hab auch kein Interesse, das professionell zu lernen. Gelangweilt haben mich im Punk die Leute, die das alles immer nur weiter verfeinert haben. Im Grunde war das immer dasselbe. Musikalisch hat Punk keine Bedeutung mehr für mich.

Man erfährt aus Ihren Songs wenig über Sie. Sie scheinen immer jemand anderen oder etwas anderes zu beschreiben. Kindheit in Wolfsburg, Punk entdeckt, dann Westberlin, Kreuzberg, erst in der Band Camping Sex, dann die Band Mutter gegründet – wollten Sie nie autobiografisch schreiben?

Nein. Damit möchte ich die Leute nicht langweilen. Aber es haben schon viele meiner Songtexte etwas mit mir zu tun. Ich bin ich es ja, der darin aus seiner Perspektive die Welt beschreibt. Das macht es dann auch wieder offener. Ich finde es auch wichtig zu sagen, dass man mal nicht weiß, wie was geht. Und dann trotzdem drüber zu singen, obwohl man ratlos ist. Das heißt nicht, dass ich zu Sachen keine Haltung habe. Aber es ist gut, wenn man zugeben kann, dass man keine Ahnung hat.

Mir ist an „Was weiß ich“ die Einfachheit aufgefallen. Eine Zeile wie „Wo du bist, ist es schön, jeden Morgen auf der Welt“ zum Beispiel. Ist das eins zu eins gemeint?

Normalerweise erzähl ich eigentlich nichts über die Entstehung der Lieder, weil ich denke, das kann ja jeder selber rausfinden. Aber in dem Fall ist da gar nichts rumzudeuteln: Ich war an der Donau mit meiner Freundin, und das war dann genau das. Wenn das für jemand etwas gebrochen klingt, ist das aber auch wunderschön. Ich geb mit der Musik ja nichts vor.

„Was weiß ich“ ist insgesamt ein sehr menschenfreundliches Album geworden.

Ja, das finde ich auch.

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