Intifada in der Wüste

Marokko geht brutal gegen neue Proteste in besetzter Westsahara vor. Ausländische Beobachter abgeschoben

MADRID taz ■ Marokkos Armee und Polizei gehen gegen mehrere Stadtteile in El Ayun vor, um Proteste zu unterbinden. Die Demonstrationen in der Hauptstadt der durch marokkanischen Truppen seit 1975 besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara begannen am 24. Mai, als die marokkanischen Behörden einen Gefangenen Sahraui, dem vorgeworfen wird, der Befreiungsbewegung Polisario anzugehören, vom Gefängnis in El Ayun nach Agadir verlegen ließ. Es kam zu ersten spontanen Protesten, die sich bald schon auf andere Städte in der Westsahara ausweiteten. Die Teilnehmer tragen immer wieder die Fahne der in den algerischen sahrauischen Flüchtlingscamps residierenden Exilregierung der „Demokratischern Arabischen Republik Sahara“ (Dars). Sie rufen Parolen für die Unabhängigkeit.

Laut offiziellen Angaben wurden bisher 32 Menschen verhaftet. Die Vertretung der Polisario in Madrid spricht „von deutlich mehr“. Neben den offiziell Verhafteten berichten sie von mindestens 20 Verschwundenen. Dutzende Menschen seien bei den Einsätzen gegen die Demonstrationen verletzt worden, zum Teil schwer. Armee und Polizei rückt immer wieder in die von Sahrauis bewohnten Stadtteile vor. Sie verwüsten alles, was sie auf ihrem Weg finden. Geschäfte werden geplündert, Wohnungen zerstört. In El Ayun beteiligten sich an den Aktionen der Polizei und Armee auch Marokkaner, die nach der Besatzung in der Stadt angesiedelt wurden. Sie gehen mit Stangen und Messern gegen die Sahrauis vor.

Ausländische Beobachter sind bei diesem Treiben unerwünscht. Die marokkanischen Behörden verhinderten deshalb in der vergangenen Woche die Einreise zweier spanischer Delegationen. Die eine setzte sich aus Parlamentariern der Region Madrid zusammen, die andere aus Volksvertretern aus Katalonien. Die Politiker, die per Flugzeug von den Kanarischen Inseln nach El Ayun gereist waren, wurden am Verlassen der Maschine gehindert. Wenige Stunden später mussten sie zurückfliegen.

Der Chef der spanischen Diplomatie, Miguel Angel Moratinos, sandte am Donnerstag einen Brief an den marokkanischen König Mohamed VI., den Generalsekretär der Polisario und Chef der sahrauischen Exilregierung, Mohamed Abdelaziz, sowie an die Präsidenten der Nachbarländer Algerien und Mauretanien. „Der Status quo ist nicht akzeptabel“, heißt es darin. Moratinos verlangt, das die UNO endlich wieder einen Sondergesandten für den Konflikt benennt, der in die Fußstapfen des ehemaligen US-Außenministers James Baker tritt. Dieser war vor einem Jahr zurückgetreten, da er bei der Suche nach einer Lösung immer wieder an den Widerständen Marokkos scheiterte.

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