Die Krise schafft neuen Input in der Kunst

KUNST Kulturschaffende diskutieren Wege aus der Krise – etwa Tauschringe oder „Kochscheine“

Das Wort des Jahres 2008 hat sich bis in den Kulturbetrieb vorgearbeitet: Die Finanzkrise ist da. Doch statt nach dem Vogel-Strauß-Prinzip zu verfahren, haben sich Berliner Kulturschaffende in den Räumlichkeiten des Vereins Arttransponder zwei Tage lang unter dem Titel „Chances of Crisis – Bewegung aus einem instabilen Feld“ zum Gespräch versammelt. Der erste Tag stand im Zeichen der Vernetzung und Finanzierung.

Sofia Nicolas stellte eine europäische Onlineplattform für Künstler vor: labforculture.org. Die Künstlerin arbeitet dort als Webredakteurin. Die Plattform gibt Kunstschaffenden die Möglichkeit, in einer Suchmaschine Netzwerke, wissenschaftliche Institutionen, staatliche Anlaufstellen und EU-Förderprogramme zu finden. Zusätzlich kann jeder Nutzer ein eigenes Profil anlegen. Dieser grenzübergreifende Ansatz wird als Partnerschaftsinitiative durch die Europäische Kulturstiftung gefördert.

Nach diesem Einblick in europäische Fördermöglichkeiten wirbt Johannes Burr von der Austauschplattform „Berlinerpool“ für einen internationalen Tauschring für Kunstschaffende. Das Modell ist bereits im sozialen Bereich bekannt. Burr möchte diese Idee international umsetzen: „Ein Künstler kann sein Atelier in Istanbul gegen das in Berlin tauschen, ein Beamer kann gegen das Gestalten einer Website eingetauscht werden.“ Jedes Gut erhält einen Punktewert. „Der Wert könnte sich an einer realen Währung oder an realer Arbeitszeit orientieren.“

Das Finanzsystem der Künstlerin Doris Koch besteht bereits seit zehn Jahren im kleinen Kreis: die „Kochscheine“. Ein Kochschein wird für 30 Euro erworben; dabei handelt es sich um ein Papier mit Datumsstempel und Unterschrift von Koch signiert, ein Wertschein. Mit diesen Scheinen können „Indizien“ erworben werden, Anteile an Kunstprojekten, die die Initiatorin selbst durchführt. Nach einem Jahr verfallen die Kochscheine, das gibt einen Anreiz zum Einlösen. Dieses „Kunsthandeln“ soll nicht nur Kunstförderung sein, sondern Menschen zusammenbringen, sagt Koch. Derzeit gibt es 50 Kochscheininhaber, 1.260 Scheine sind im Umlauf. „Im Gegensatz zum realen Finanzmarkt ist seit Bestehen noch keine Kochscheinblase geplatzt“, beteuert die Künstlerin.

Lucia Miarka, eine Zuhörerin, findet die Tauschbörsenidee grundsätzlich gut, gibt aber zu bedenken: „Wovon soll ich am Ende leben, muss ich dann einem Tauschring für Essen beitreten?“

TOBIAS SINGER