YouTubes „Rivers of Babylon“ versiegen

URHEBERRECHT Gema gewinnt ein Grundsatzverfahren um das Recht auf das Abspielen geschützter Musikvideos

Schlappe für Hollywood-Studios im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen in Australien: Nach mehreren Vorinstanzen hielt auch das höchste Gericht in Canberra am Freitag fest, dass Internetanbieter nicht verpflichtet werden können, das Herunterladen oder den Austausch von geschützten Werken zu unterbinden. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass der Provider iiNet das illegale Herunterladen von Filmen und Fernsehshows gefördert habe. Es fehlten ihm zudem die technischen Voraussetzungen, um das zu unterbinden.

Eine Allianz von 34 Filmstudios hatte die Klage gegen iiNet eingereicht, darunter Universal Pictures, Warner Bros, Sony und Disney. iiNet ist der zweitgrößte australische Internetprovider. (dpa)

AUS HAMBURG RENÉ MARTENS

Die Verwertungsgesellschaft Gema ist das Feindbild vieler Musikkonsumenten. Diese machen die in Berlin ansässigen Organisation verantwortlich dafür, dass unzählige Videos für deutsche Internetnutzer gesperrt sind. Es gibt wohl nur wenige Institutionen im Lande, die ein schlechteres Image haben.

Dieser Ruf wird kaum besser werden, obwohl oder gerade weil die Gema am Freitag vor dem Landgericht Hamburg einen Teilerfolg errungen hat. Die Urheberrechtskammer des Gerichts entschied, YouTube müsse mehr tun als bisher, um urheberrechtlich geschützte Lieder zu sperren.

Das Gericht verpflichtet YouTube allerdings nicht, hochgeladene Videos vorab zu prüfen. Das Unternehmen hafte „für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos nur dann“, wenn es „in Kenntnis der Rechtsverletzung gegen bestimmte Verhaltens- und Kontrollpflichten verstößt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Erst „nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung trifft den Portalbetreiber die Pflicht, das betroffene Video unverzüglich zu sperren“. Es sei der Beklagten „zuzumuten, nach Erhalt eines Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung durch den Einsatz einer Software“ künftige Uploads zu verhindern, egal um welche Versionen eines Stücks es sich dabei handle.

Streng genommen geht es in dem Hamburger Verfahren um eine ausgewählte Liste von zwölf Songs, darunter „Rivers of Babylon“ von Boney M. und „Zwei kleine Italiener“, einen Schlager, den vor einem halben Jahrhundert Conny Froboess sang. YouTube muss nun sieben der beanstandeten Stücke löschen. In fünf weiteren Fällen wiesen die Richter der Antrag zurück, weil die entsprechenden Videos für die Kammer auf der Plattform nicht mehr auffindbar waren.

„YouTube trifft die Pflicht, das Video unverzüglich zu sperren“

Dem Verfahren wird eine Signalwirkung für den Grundsatzstreit zwischen Gema und YouTube zugeschrieben. Die in Hamburg verhandelte Klage der Gema ist seit Ende 2010 anhängig. Eine Vereinbarung zwischen den Parteien war bereits 2009 ausgelaufen. Ebendeshalb gibt es nach Ansicht der Gema keine rechtliche Grundlage dafür, dass auf YouTube Clips von Songs verfügbar sind, für die die Verwertungsgesellschaft die Rechte wahrnimmt. Mit zwei Musikstreamingdiensten hat sich die Gema dagegen bereits geeinigt: mit Simfy und Deezer.

Der Münsteraner Medienrechtler Thomas Hoeren hatte schon vor dem Urteil im Deutschlandfunk prophezeit, die Causa werde bis zum Bundesgerichtshof gehen: „Es wird noch viele Urteile geben und viele Diskussionen.“ Obwohl die Gema sich über einen Teilerfolg freuen darf, steht das Urteil von Freitag im Einklang mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der kürzlich in einem vergleichbaren Fall die Klage einer belgischen Verwertungsgesellschaft abgewiesen hatte. Diese hatte einem sozialen Netzwerk sogenannte proaktive Prüfungspflichten auferlegen wollen – Pflichten, die nach Auffassung der Hamburger Richter auch YouTube nicht hat.

Ein Kernproblem besteht für die Gema weiterhin darin, dass sie in der Öffentlichkeit als bürokratisches Monster wahrgenommen wird, YouTube steht dagegen als eine Art sympathischer Underdog da. Dass das Unternehmen zu Google gehört, einem Unternehmen, das das Institut für Medien und Kommunikationspolitik in Berlin in einem Ranking gerade als drittgrößten Medienkonzern der Welt eingestuft hat, gerät manchmal aus dem Blick.