„Unengagiert und fantasielos“

AUSSCHUSS Leiter der Soko „Bosporus“ muss erklären, warum Spur nach rechts nicht ernster verfolgt wurde

■ Exbundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat für Ermittlungspannen bei der Neonazi-Mordserie teilweise die Verantwortung übernommen. „Dafür, dass wir der NSU-Terrorgruppe nicht früher auf die Spur gekommen sind, tragen ich und die Länderinnenminister die politische Verantwortung“, sagte Schily. Es sei ein Fehler gewesen, am Tag nach dem Anschlag der NSU 2004 in Köln geäußert zu haben, es gebe keinen terroristischen Hintergrund. Schily hatte damals gesagt: „Die Erkenntnisse deuten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu.“ (dpa, taz)

BERLIN taz | Ende Januar setzte der Bundestag medienwirksam einen Untersuchungsausschuss zu den Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) ein, doch die ersten drei Monate plätscherten dahin: Die Abgeordneten ließen sich von Experten die Entwicklung der Neonaziszene nach 1990 und die deutsche Sicherheitsarchitektur erklären, parallel dazu trudelten nach und nach Tausende Seiten an Akten ein. Nun aber wird es spannend. Kommende Woche werden die ersten Zeugen zu den jahrelang erfolglosen Ermittlungen aussagen. „Endlich steigen wir voll in die Beweisaufnahme ein“, sagt ein Ausschussmitglied.

Am Donnerstag werden der ehemalige Leiter der Soko „Bosporus“, Wolfgang Geier aus Nürnberg, und sein früherer Vize, Klaus Mähler aus München, nach Berlin kommen. Eine der zentralen Fragen an sie wird sein, ob die Ermittler die Hypothese eines Profilerteams ernst genug nahmen, das den oder die Täter 2006 in der rechten Szene vermutete. „Die Profiler haben ein richtiges abstraktes Täterprofil erstellt“, sagt Ausschussmitglied Wolfgang Wieland (Grüne). Nun müsse man sich ganz genau anschauen, inwiefern dieser Hypothese nachgegangen worden sei.

„Bislang gewinnen wir aus den Akten das Bild, dass es einige sehr ernst zu nehmende Hinweise auf rechtsradikale Täter gab“, sagt Hartfrid Wolff, FDP-Obmann im Ausschuss. „Diesen Hinweisen ist aber augenscheinlich nicht ausreichend nachgegangen worden. Wir wollen wissen, warum nicht. War das individuelles Versagen oder Institutionsversagen?“

Die Obfrau der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss, Eva Högl, wurde im Vorfeld der Zeugenvernehmungen noch deutlicher. „Bin fassungslos, wie unengagiert und fantasielos BAO Bosporus der Spur ‚rechte Szene‘ nachging“, schrieb sie am Donnerstag per Twitter-Kurznachricht. WOLF SCHMIDT