Die Kanzlerin wackelt

BUNDESWEHR Bei ihrem Afghanistanbesuch muss sich Merkel zum Abzug äußern – es wirkt unsicher

BERLIN taz/dpa | Ihr erster Afghanistan-Besuch seit 2010 hatte es in sich. Am Montagmorgen traf Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrem lange geplanten Aufenthalt im größten Bundeswehrlager in Masar-i-Scharif ein. Wenige Stunden nachdem im Süden des Landes ein US-Soldat Amok lief und 16 Zivilisten tötete. Doch welche Konsequenzen der Vorfall für den Einsatz der deutschen Truppen haben würde, darüber sagte Merkel missverständliche Dinge.

Satz von großer Tragweite

Denn noch am Montagvormittag schien es, als würde die Kanzlerin den geplanten Abzugstermin im Jahr 2014 infrage stellen wollen. Angesichts der Sicherheitslage könne sie „noch nicht sagen“, ob der Abzug bis Ende 2014 möglich sei, sagte sie am Montag im Feldlager Masar-i-Scharif. Ein Satz der zu Ende gedacht erhebliche Tragweite hätte. Denn jahrelang hatte die Bundesregierung zusammen mit anderen beteiligten Ländern um einen Abzugsplan gerungen und sich auf das Jahr 2014 geeinigt.

Zunächst war es Merkels Umfeld, das sich Mühe gab, den Satz wieder einzufangen. Schließlich tat sie es einige Stunden nach den ersten Kommentaren selbst: „Wir sind jetzt schon in der Phase der Übergabe in Verantwortung“, sagte sie, „2014 ist der Abzugstermin.“ Dieser Termin sei international vereinbart worden, zuletzt auf der Afghanistankonferenz in Bonn im Dezember 2011. Kritik erntete Merkel für die ausgelöste Debatte dennoch: „Es ist unverantwortlich, das Abzugsjahr 2014 infrage zu stellen“, sagte der Grüne Omid Nouripour. „Die Bundesregierung erklärt schließlich seit Jahren, der Termin sei wichtig, damit sich die Afghanen anstrengen, die Sicherheitsverantwortung im Land übernehmen zu können.“

Im Bundesverteidigungsministerium versuchte man am Montag parallel, deeskalierende Worte an die Afghanen zu richten. Ein vertrauensvolles Miteinander von Zivilbevölkerung und Afghanen sei unabdingbar: „Jedes Fehlverhalten, durch wen auch immer, das diesem Ziel entgegensteht, ist eines zu viel und entsprechend zu sanktionieren“, sagte ein Sprecher.“

Furcht vor Eskalation

Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist momentan selbst in der Region unterwegs, er besucht Usbekistan und Pakistan. Auf dem Flug äußerte auch er sich: „Der Vorgang ist so grauenhaft, so außergewöhnlich brutal und schockierend, dass alleine deswegen das als Einzelfall anzusehen ist“, sagte der CDU-Politiker: „Ich hoffe nicht, dass es zu einer Eskalation der Lage beiträgt.“

Im Hinterkopf haben de Maizière und andere noch die Ereignisse vom Februar. Als Koranexemplare von internationalen Truppen verbrannt wurden, gab es landesweite Proteste. Die Bundeswehr sah sich genötigt, die Arbeiten zum Abbau des Feldlagers in Talokan zu beenden.

GORDON REPINSKI