Wiese für sieben Jahre eingezäunt

Münchner Neonazi wegen Anschlagsplänen zu Haftstrafe verurteilt. Richter betont „Warnung an rechtsextreme Szene“, Bundesanwalt lobt „wehrhaften Rechtsstaat“

MÜNCHEN taz ■ Bevor er von zwei Polizisten aus dem Gerichtssaal geführt wurde, wandte sich Martin Wiese noch einmal an seinen Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung, blickte ihm tief in die Augen, drückte fest seine Hand und sagte geradezu ergriffen: „Danke für alles. Gute Arbeit.“ Der Münchner Neonazi-Chef wusste genau, dass die sieben Jahre Gefängnis, zu denen ihn das bayerische Oberste Landesgericht soeben verurteilt hatte, ein gutes Stück unter dem liegen, was im Verlaufe des Prozesses als möglich schien.

Schließlich befanden die Richter den 29-jährigen Wiese, einst Anführer der „Kameradschaft Süd“, für schuldig, Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein, die sich Waffen und Sprengstoff besorgt hatte, um damit Anschläge zu verüben. Die Gruppe, so führte der Vorsitzende Richter Bert von Heintschel-Heinegg bei der Urteilsbegründung aus, sei auf „Mord und Totschlag“ aus gewesen, eine „blutige Revolution“ war ihr Ziel. Zugute hielten die Richter den vier Angeklagten letztlich, dass es „keine konkretisierte Planung eines Anschlags“ etwa auf die Grundsteinlegung des jüdischen Zentrums in der Münchner Innenstadt gegeben habe. Dass Waffen und Sprengstoff lediglich zum Verkauf an einen Militaria-Sammler gehortet wurden, mochten die Richter dagegen nicht glauben.

So wurde Wieses Stellvertreter Alexander M., 28, zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt, der 24-jährige Karl-Heinz St. zu vier Jahren und drei Monaten, der 21-jährige David Sch. erhielt zwei Jahre und neun Monate, wobei jeweils andere Strafen, etwa wegen Körperverletzung, mit einbezogen wurden. Ausgerechnet Anführer Wiese war als Einziger bislang nicht vorbestraft.

Richter Heintschel-Heinegg bezeichnete das Urteil als „Warnung an die rechtsextreme Szene“. Auch Bundesanwalt Bernd Steudl wirkte zufrieden, obwohl er höhere Strafen gefordert hatte: „Ob Wiese nun ein Jahr mehr oder weniger ins Gefängnis geht, ist heute nicht das Thema. Entscheidend ist, dass sich der Rechtsstaat wehrhaft zeigt.“ Lediglich Wiese-Verteidiger Herzogenrath-Amelung bestritt nach wie vor, dass es sich bei der Kameradschaft um eine terroristische Vereinigung gehandelt habe. Seinen Standpunkt fasste er nach dem Prozess so zusammen: „Ich hoffe, dass Herr Wiese über seine politischen Ziele, aber vor allem die Mittel, mit denen er sie erreichen will, nachdenkt.“

Sein Mandant gab sich indes so hoffnungsfroh wie unbelehrbar. Geständigen Mitgliedern seiner Neonazi-Truppe beschied er, sie müssten nun „ohne Anstand und Ehre leben“, gegenüber der Presse philosophierte er: „Wo ein Ende ist, ist immer auch ein Anfang.“ Über die Kontinuität seiner Arbeit muss sich Wiese keine Sorgen machen: Die Münchner Rechtsextremen haben sich als „Kameradschaft München“ bereits neu formiert.

JÖRG SCHALLENBERG