Deponie stinkt Lübecker an

SONDERMÜLL Um künftig noch mehr Abfälle zu lagern, wird die Deponie Ihlenberg großzügig erweitert. Die angrenzende Stadt Lübeck wusste von dem Ausbau nichts. Jetzt schlagen Umweltschützer und Politiker Alarm

Die Anlage, in Mecklenburg zwischen Selmsdorf und Schönberg gelegen, hat eine wechselhafte Geschichte.

■ DDR: 1979 wird die Deponie unter dem Namen Schönberg errichtet. Aus ganz Westeuropa verklappten Firmen zu Dumpingpreisen ihren Sondermüll und Chemikalien.

■ Wende: Wegen ihres schlechten Rufs wird die Anlage in Deponie Ihlenberg umbenannt. Die seit Mitte der 90er wieder staatliche Deponie kann im Jahr maximal eine Million Tonnen Müll aufnehmen.

■ Sondermüll: Seit 2005 nimmt Ihlenberg keinen unbehandelten Hausmüll mehr auf. Deshalb lagert dort vor allem Sondermüll, zum Beispiel Gleisbettschotter.

VON UTA GENSICHEN

Die umstrittene Sondermülldeponie Ihlenberg an der westmecklenburgischen Grenze erhitzt erneut die Gemüter von Umweltschützern und Politikern. Sie kritisieren, dass die rund 113 Hektar große Anlage um 50 Hektar erweitert werden soll. Bis zu 32 Millionen Kubikmeter Müll könnten damit auf der Deponiefläche gelagert werden, sagt Günter Wosnitza, Mitglied des Deponie-Beirates.

Allerdings habe die Ihlenberger Abfallentsorgungsgesellschaft (IAG) weder die angrenzende Stadt Lübeck noch die Bürgerinitiativen über die Maßnahmen informiert. Erst bei einem Rundgang über das Deponiegelände vor wenigen Tagen stellten der Beirat und Vertreter der Lübecker Grünen fest, dass das Gelände erweitert wird. „Dafür liegt keine Genehmigung vor“, sagt Wosnitza. In einem Planfeststellungsverfahren hätten demnach alle Beteiligten gehört werden müssen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung liege ebenfalls nicht vor.

Sogar die Stadt Lübeck, die auch Mitglied im Deponiebeirat ist, wurde nicht in die Pläne der IAG eingeweiht. Für Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) wäre dies jedoch „im Sinne einer guten Nachbarschaft“ erforderlich gewesen. Das Nutzbarmachen zusätzlicher Flächen durch die Deponie nennt Saxe ein „klammheimliches Verfahren einer wesentlichen Erweiterung“. Laut Günter Wosnitza sei Lübeck vor allem über die Wasserversorgung betroffen, da im Umkreis der Deponie ein Wassereinzugsgebiet der Hansestadt liege.

Den Vorwurf der Bürgerinitiativen, die Erweiterung des Geländes sei illegal, weist das Wirtschaftsministerium in Schwerin zurück. „Die Deponie tut das, womit sie beauftragt ist: sie lagert Müll“, sagt Ministeriumssprecher Gerd Lange. Für die Lagerung von 32 Millionen Kubikmetern Müll gebe es zudem eine laufende Betriebsgenehmigung.

Gegenüber den Lübecker Nachrichten bestätigte Deponiechef Gerd-Jürgen Bruckschen die Existenz einer Genehmigung. Bereits 1990 sei der ehemaligen DDR-Deponie erlaubt worden, die Fläche nach Bedarf zu erweitern. Nun müssten die Lagerflächen größer werden, damit auch in den nächsten zehn Jahren Sondermüll deponiert werden könne, sagte Bruckschen.

Umweltschützer Günter Wosnitza bezweifelt, dass bei der Genehmigung vor 20 Jahren alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Damals hieß die Anlage noch Deponie Schönberg. Nur die oberirdischen Flächen seien angegeben worden. „Die unterirdischen Teile wurden verschwiegen“, sagt Wosnitza.

Von diesen Erdbecken, in denen sich zu DDR-Zeiten hoch toxisches Sickerwasser ansammelte, fehle heute jede Spur. „Wahrscheinlich wurden die einfach mit Müll zugeschüttet“, sagt Wosnitza. Pikanterweise soll die Deponie genau dort erweitert werden. Entsetzt reagierten die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern auf die Pläne der IAG und die Vorwürfe. „Sollte die Deponie ohne die erforderlichen Prüfungen erweitert worden sein, muss der Ausbau sofort gestoppt werden“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Terpe. Die jahrzehntelange Geheimniskrämerei der Landesregierung zur Deponie Ihlenberg müsse endlich ein Ende haben. Terpe hofft, sich bei einer Begehung ein Bild von der Situation machen zu können.

Ihlenberg könnte in den kommenden Wochen auch noch mit anderen Themen Schlagzeilen machen. Zwei Krebsstudien, die Krankheitsfälle im Zusammenhang mit der Deponie untersucht haben, sollen demnächst veröffentlicht werden. Bereits im Juli 2008 sorgte eine Studie der Universität Greifswald für Aufregung. Damals stellten die Wissenschaftler fest, dass es ein um 80 Prozent erhöhtes Krebsrisiko für die Deponie-Beschäftigten gebe. Viele Lübecker sprachen sich in einer anschließenden Debatte für die Schließung der Anlage aus – jedoch ohne Erfolg.

Gegen die Vorwürfe der Bürgerinitiativen geht die IAG mittlerweile sogar gerichtlich vor. In der kommenden Woche verhandelt das Landgericht Hamburg öffentlich über den Vorwurf des Unternehmens, eine Initiative hätte falsche Tatsachen auf ihrer Homepage verbreitet.