Verzögerte Tsunami-Hilfe in Sri Lanka

Nationalistische Singhalesen blockieren Einigung mit tamilischen Rebellen. Flutgebiete im Osten ohne Hilfe

DELHI taz ■ Vier Monate nach dem Tsunami besitzt Sri Lanka noch immer keinen Koordinationsmechanismus für die Verteilung der Hilfe und den Wiederaufbau. Dies belastet insbesondere die Gebiete im Osten und Norden der Insel, die von der tamilischen Rebellenorganisation LTTE („Liberation Tiger of Tamil Eelam“) beherrscht werden.

Die LTTE verlangt seit Beginn eine bestimmende Rolle im Wiederaufbau in diesen Regionen, und sie unterstrich diesen Anspruch mit ihrer kompetenten Durchführung der Katastrophenhilfe unmittelbar nach der Flutwelle.

Die Regierung war auch grundsätzlich zu diesem Zugeständnis bereit, wollte sich aber eine Kontrolle des internationalen Geldflusses sichern sowie die Berücksichtigung der Stimmen der Minderheiten in der Nord- und Ostregion, namentlich der Muslime.

Nach zähen Verhandlungen, bei denen sich auch immer wieder die norwegischen Friedensvermittler eingeschaltet haben, schien eine Einigung erzielt worden zu sein. Sie sieht offenbar ethnisch paritätisch besetzte Gremien auf der nationalen und interregionalen Ebene vor, während auf der Ebene der Umsetzung im Norden und Osten die koordinierende Rolle der LTTE überlassen wird.

Offenbar haben die Tamil Tiger diesem Mechanismus zugestimmt, ebenso wie die Volksallianz von Präsidentin Chandrika Kumaratunga. Nun hat sich aber die marxistisch-nationalistische Volksbefreiungsfront JVP quer gestellt, und dem Vernehmen nach auch die Partei der Buddhisten-Mönche und eine kleine muslimische Parlamentsgruppe. Die JVP, die eine pointierte ethnisch gefärbte singhalesische Ideologie vertritt, hat mit dem Austritt aus der Koalition gedroht, falls es zu einem formellen Vertrag kommt.

In den Augen der JVP würde dies die LTTE auf die gleiche Stufe stellen wie den sri-lankischen Staat und damit die schleichende Sezession noch weiter vorantreiben. Bereits das Waffenstillstandsabkommen vom Februar 2002 habe diesen Prozess eingeleitet, und die JVP werde nicht dabei Hand mit anlegen, den sri-lankischen Staat vollständig zu spalten, zitierte der Sunday Mirror einen JVP-Sprecher.

Zugleich befürchtet die Partei eine Einschränkung der Souveränität vonseiten der Geberstaaten, die den weitaus größten Teil des Wiederaufbaus bezahlen werden und daher der Regierung immer wieder in den Arm fallen würden.

Damit bleiben die am härtesten getroffenen Tsunami-Opfer im Osten des Landes weiterhin vom Wiederaufbau weitgehend ausgeschlossen. Mehr Menschen als im touristischen Süden haben in diesen armen Küstenstrichen ihr Leben verloren, und weit mehr haben dort ihr gesamtes Hab und Gut eingebüßt.

Die Überlebenshilfe aus dem Ausland hat bisher sichergestellt, dass die Menschen versorgt werden und in Zeltdörfern wohnen können: Doch der ökonomische Wiederbeginn wird erst dann möglich sein, wenn die Flutopfer in ihre eigenen Häuser zurückkehren können. Der Finanzfluss für den größten Teil des Wiederaufbaus muss aber über den neu geschaffenen Mechanismus laufen, der weiterhin blockiert ist.

Die Geberstaaten sind verständlicherweise frustriert über die Verzögerungen, umso mehr, als sie auch dem eigenen innenpolitischen Druck zur schnellstmöglichen Verwendung der Spendengelder ausgesetzt sind. Die Mitte Mai stattfindende Geberkonferenz dürfte zu einer Krisensitzung werden, falls es nicht gelingt, bis dahin eine Zusammenarbeit zwischen Colombo und der LTTE formell zu vereinbaren. BERNARD IMHASLY