Lösung aller Probleme

Hessens Justizminister kennt einen technischen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit: die elektronische Fußfessel!

Er meinte es gut. In ihrer fünfjährigen Probephase, ließ der hessische Justizminister Christean Wagner (CDU) in einer Pressemitteilung verkünden, habe die elektronische Fußfessel Unmengen von straffälligen „Probanden“ wieder auf einen gutbürgerlichen Weg gebracht. Mit regelmäßigem Aufstehen und Arbeitengehen und allem Drum und Dran. Die Fußfessel biete deshalb „auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren“.

Zu Zeiten, als der arbeitslose „Florida-Rolf“ mit seinem Luxus-Lotterleben noch die hart arbeitenden Gemüter erhitzte, hätte das Engagement des hilfsbereiten Hessen sicherlich einhelliges Köpfenicken geerntet.

Diesmal aber stellt sich die Bild auf die andere Seite. Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis „Soziale Gerechtigkeit – Stoppt den Sozialabbau“ (das die Wagner’sche Pressemitteilung ausgegraben hatte) stellt sie den Minister an den öffentlichen Pranger. Prompt nutzt Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement die Gelegenheit zum Punkten und Poltern und empört sich über „den unsäglichen Unsinn“. Sie alle haben richtig erkannt: In einem Land, wo Arbeitslosigkeit wirklich jeden treffen kann, kann so ein Vorschlag gar nicht gut ankommen. Nach der Empörungswelle, die jetzt über Hessen schwappte, ruderte das Justizministerium zurück. Aus dem Zusammenhang gerissen sei die Formulierung, nur arbeitslose und suchtkranke Kriminelle seien gemeint gewesen.

Dabei steckt so viel Potenzial in der Idee. Dem gewillten Fußfessel-Träger „wird jeden Tag klar gemacht, dass er sich an bestimmte Vorgaben zu halten hat“. Selbstdisziplin und eine geordnete Lebensführung könne man mit der Riesen-Fuß-Swatch lernen, preist die Ministeriums-Homepage auf mehreren Seiten. Was für eine Chance!

Was ist mit Jugendlichen, die wegen ihrer Faulheit keine Lehrstelle finden? Mit Depressiven, die gehen ja auch nie aus dem Haus. Mit Obdachlos … ups, da wird’s schwierig ohne Telefonanschluss.

Womit wir aber doch schon beim nächsten Punkt wären: Schließlich ist auch entwicklungstechnisch noch einiges drin in dem praktischen Überwachungsgerät. Ein Sender mit GPS-System, das wär’s doch, da sieht der Betreuer auch gleich, ob sein Schützling von zu Hause aus nicht einfach täglich in die Pinte um die Ecke wackelt. Oder unterschiedliche Farben, Muster, Formen. Ein Design vielleicht von Karl Lagerfeld? Da würde so mancher bestimmt draufzahlen für. Und die demütigende Fußschelle wäre plötzlich schickes Lifestyle-Accessoire, Stichwort „stilvolles Verarmen“.

Und warum sollte das Gerät nicht auch an den Otto-Normal-Faulenzer verkauft werden können? Wenn wir Glück haben, binden sich bald Menschen aus der ganzen Welt die hippen Teile ans Bein.

Und all die Arbeitslosen? Stehen dann längst an den Fließbändern einer florierenden Fußfesselindustrie. ANNE SEITH