Einig wie nie

Nach der Befreiung der italienischen Journalistin Giuliana Sgrena greifen Italiens Medien die verbündeten USA an

Was in den vier Jahren der Regierung Berlusconi noch niemand geschafft hat – den USA ist es gelungen. Einig wie nie zuvor präsentieren sich Italiens Medien von rechts außen bis radikal links in der Kommentierung der Pentagon-Indiskretionen zur Untersuchung des Todes von Nicola Calipari, dem italienischen Geheimdienstmann, der am 4. März nach der Befreiung der italienischen Journalistin Giuliana Sgrena durch US-Soldaten in Bagdad erschossen wurde.

Schon, dass jetzt die Auskunft aus dem Pentagon durchsickerte, die US-Soldaten treffe keinerlei Schuld, ist für das Berlusconi-Blatt Il Foglio ein klares Indiz: Das US-Verteidigungsministerium sei an dem von CIA und Außenministerium angestrebten Kompromiss mit Italien bei der Aufklärung nicht interessiert. Auch die (ebenfalls im Besitz der Familie Berlusconi befindliche) Tageszeitung Il Giornale ereifert sich auf Seite 1, Italiens Regierung tue gut daran, den US-Untersuchungsbericht nicht gegenzuzeichnen; es gehe hier um „das Recht und die Pflicht, das nationale Interesse zu schützen“, zur Not gegen die USA. Einen Schritt weiter geht der Corriere della Sera. Dort ist von einer „beunruhigenden Kohärenz“ die Rede, wenn die USA die Missetaten ihrer Soldaten nur von den eigenen Behörden untersuchen lassen wollen. Denn dann müsse man immer wieder Fälle wie die Erschießung Caliparis erwarten.

Töne, die man bisher nur von links hörte. Die Unità titelte denn auch gestern: „Calipari: Beleidigung seines Andenkens“. Und Il Manifesto, die Hauszeitung Giuliana Sgrenas, kommentiert, die USA könnten es sich nicht einmal leisten, einen Sündenbock zu liefern, wenn sie den Erfolg der Kriegsmission im Irak nicht in Frage stellen wollten.

Damit hat sich aber auch schon die Einigkeit. Wie umgehen mit den USA? Diese unbequeme Frage stellt sich Berlusconi, der treuer Alliierter im Irak bleiben, zugleich aber den Ruf Caliparis und des italienischen Geheimdienstes nicht auf dem Altar der Allianz opfern will und kann. Kein Problem, meint das regierungsnahe Blatt Il Giornale: Gerade als „loyaler Verbündeter der USA“ könne Italien Aufklärung fordern und dem Chef-Alliierten „mit erhobenem Haupt“ gegenübertreten, „nicht als Bittsteller“. Gerade das sei „ein weiterer Beweis für die aufrichtigen und starken Beziehungen zwischen beiden Ländern“.

Da hat Il Manifesto seine Zweifel. Genug Anlass für eine „internationale Krise zwischen Italien und den USA“ sei jetzt schon gegeben. Doch müsse man am Ende wohl doch nur mit einer knappen Note rechnen, die den ganzen Vorfall zum „tragischen Unglück“ erkläre.MICHAEL BRAUN, ROM