Rebellion ist so ein kleines Gefühl

Die Räubertocher der jetzt-Generation, der Tomboy aus Bullerbü: Sie moderiert bei Radio Fritz und ist mit der losen Rubrik „Caros gute Taten“ auf MTV zu sehen. Jetzt hat Caroline Korneli mit „Kismet – Würfel Dein Leben!“ ihren ersten Kinofilm gedreht – und gibt sich selbst, die Radiomoderatorin Caro

Alles, was Caroline Korneli erzählt, klingt beneidenswert unkompliziert

VON OLGA-LOUISE DOMMEL

Neulich bei den MTV News: Kurz nach der Klingeltonwerbung, zwischen den neuesten Nachrichten aus der Welt der digital begradigten Superstars läuft eine Drei-Minuten-Reportage zum Thema. „Sind die Kinder von heute fett und dumm?“ Um das herauszufinden, schlurft eine etwas verpennt wirkende junge Frau – eher under- als overstylt und mit eher mehr als weniger Augenringen – über einen Kinderspielplatz und stellt den Drei- bis Vierjährigen Fragen wie: „Wo sind deine Problemzonen?“ oder „Hast du auch den Artikel über die Bildungsreform gelesen?“

Die junge Frau heißt Caroline Korneli, ist 24 Jahre alt, wurde mit dem Telekom-Spruch „Und billig, da stehst du doch drauf“ berühmt und moderiert außerdem bei Fritz ihre eigene Radiosendung, den Caroma Club. Seit einigen Monaten wirkt sie mit ihrer eigenen, unregelmäßigen Rubrik „Caros gute Taten“ wie ein wohltuender Fremdkörper bei MTV, wie ein winziger Streif am Horizont. Die Art, wie sie dazu kam, passt gut zu ihr: MTV-Moderator Markus „Wieder was gelernt“ Kavka, der auch eine kleine Fritz-Rubrik betreut, hatte ihr vorgeschlagen, einfach mal bei einem Casting mitzumachen. Prompt wurde Caroline Korneli übernommen. Jetzt verbreitet sie die Legende, sie sei an einem Wintertage geboren, an dem es ein Gewitter gab – „wie bei Ronja Räubertochter“, sagt sie –, und mischt sich als freundlich pöbelnde Reporterin unters Volk. Für jeden Beitrag sucht sie einen speziellen Ort aus – Einkaufsstraße, Solarium oder Autowaschanlage –, an dem sie sich, mal mehr, mal weniger erfolgreich versucht, nützlich macht, die Leute unterhält oder Themen aus Politik und Alltag aufgreift. Das mag nicht die neueste Erfindung in Sachen Fernsehunterhaltung sein, aber das Schöne an „Caros gute Taten“ ist, dass Caroline Korneli sich nicht über die Leute stellt. Sie ist eine von ihnen und führt ihre Gesprächspartner nicht vor, wie das z. B. Carsten van Rissen bei Polylux praktiziert. „Seit ganz viele Fernsehformate auf Kosten des kleinen Mannes gehen, denken die natürlich immer, wir wollen sie in die Pfanne hauen. Deswegen sage ich den Leuten immer gleich: Wenn hier einer verarscht wird, dann bin ich das selber“, sagt Caroline Korneli.

Mit ihrer schnodderigen Berliner Art wirkt das überzeugend. Caroline Korneli ist ein Kumpeltyp, ein Tomboy: tiefe Stimme, lässiger Gammellook, Charakternase und immer einen Spruch auf den Lippen, eine fixe Idee oder eine kleine Geschichte. Dabei sexy, herzlich, cool. Wie die ehemaligen Viva-Moderatorinnen Sarah Kuttner und Charlotte Roche könnte man sie zur so genannten jetzt-Generation zählen, die sich um das gleichnamige Jugendmagazin der Süddeutschen scharte, das heute als Internetseite weiterexistiert. Sie sind Mitte zwanzig, eloquent, lebendig, leicht chaotisch und locker im Umgang mit den Medien. Sie sind notorische Gutfinder, mit den Kindern von Bullerbü aufgewachsen und ein bisschen harmoniesüchtig vielleicht, so dass man sich manchmal leise wünscht, sie würden mal wieder richtig heftig gegen irgendwas protestieren. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau oder Jungs und Mädchen ist selbstverständlich geworden, die deutsche Einheit mehr oder weniger vollzogen.

Bei Caroline Korneli, die wie Sarah Kuttner in Ostberlin aufgewachsen ist, aber weniger mädchenhaft, weniger bürgerlich und geschmäcklerisch ist als diese, ist das ebenfalls „nur so ein ganz kleines Gefühl. Ich denk da gar nicht oft drüber nach.“

Heute läuft der Kinofilm „Kismet – Würfel Dein Leben!“ an, in dem Caroline Korneli eine der beiden Hauptrollen spielt. „Kismet“ ist eine Dokufiction und basiert auf einer Story aus jetzt-Magazin. Die Radiomoderatorin Caro und der vergeistigte Filmstudent David müssen eine Woche lang alle Entscheidungen auswürfeln, um an ihr ebenfalls gewürfeltes Ziel Zürich zu gelangen. Der Film wurde schon 2001, ursprünglich fürs Fernsehen, gedreht. Jetzt hat er es nach einigen Festivaleinsätzen in die Kinos geschafft. Es ist kein Burner, aber eine nette Idee. Und irgendwie passt er mit seiner experimentellen Entdeckung des Alltags wie die Faust aufs Auge der jetzt-Generation.

Eigentlich wollte Caroline Korneli immer Schauspielerin werden. Schon als Kind stand sie auf der Bühne, in Zittau bei „Robin Hood“ und „Der Schatz im Silbersee.“ Als aber die zweite Runde der Aufnahmeprüfung an der HFF Potsdam für das Schauspielstudium anstand, kam alles ganz anders: „Ich bin morgens aufgewacht und nicht hingegangen. Und ich kann bis heute nicht sagen, wieso. Obwohl ich natürlich eigentlich zwei Tage später genau wusste, wieso: weil ich nämlich schwanger war“, erzählt sie. Das ist jetzt drei Jahre her. Bereut hat sie die Entscheidung nie. Sie ist eine begeisterte Mutter, ihr Sohn heißt Michel. „Als mein Sohn 24 Stunden alt war, da kam eine Schwester … eine männliche Schwester … also ein Bruder … so’n Krankenhausbruder kam zur Tür rein und sagt zu mir: „Heißt det Kind jetzt Mitchell oder Michèle? Und da dachte ich: „Oh, mein Gott, werden sie mein Kind Mitchel nennen? Da hätte ich es auch gleich Justin Summerrain Alexanderplatz Ochsenknecht nennen können.“ Und übrigens: Mit Michels Vater ist sie zwar nicht mehr zusammen, aber sie kümmern sich gemeinsam um ihr Kind.

Alles, was Caroline Korneli erzählt, klingt beneidenswert unkompliziert. Alle Jobs, die sie bisher hatte, seien ihr eher zugefallen, als dass sie sich ein Bein dafür hätte ausreißen müssen, sagt sie. So wie vor fünf Jahren, als ihr Fritz-Praktikum gleich mit dem Start einer eigenen Sendung, damals „Caro Ass“, gekrönt wurde. Ihre ersten Sendungen bezeichnet sie zwar selbst als „verdammtes Kamikaze-Überfallkommando,“ aber mittlerweile sei sie eine ganz gute Moderatorin geworden, hängt sie mit gesundem Selbstvertrauen hintendran. Im Augenblick ist sie mit ihren zwei Jobs, ihrem Sohn, „einer Hütte, die geputzt werden will“, ihren Freunden und ihrem Liebsten gut ausgelastet. Aber Lust, einen weiten schönen Film zu drehen – die hat sie andererseits auch.