Die Heiligsprechung der SS

GESCHICHTSPOLITIK Estlands Regierung will Nazischergen als „Freiheitskämpfer“ ehren. Kritik von Grünen. Bundesregierung und EU-Kommission wollen sich nicht einmischen

BRÜSSEL/BERLIN taz | Mit scharfen Worten hat der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, die Pläne der Regierung des EU-Mitgliedstaats Estland kritisiert, Angehörige der Waffen-SS per Gesetz zu „Freiheitskämpfern“ zu erklären: „Wenn das Gesetz so wie geplant beschlossen wird, würden die Gräueltaten von Hitlers Schergen in der Sowjetunion im Nachhinein gerechtfertigt“, so Beck. „Das wäre zugleich ein Schlag ins Gesicht jener Mitglieder des antisowjetischen Widerstands, die keine gemeinsame Sache mit den Nazis machten.“

Ähnlich äußerte sich Becks Parteifreundin Rebecca Harms: „Wir Europäer dürfen eine solche Geschichtsfälschung nicht tolerieren“, so die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament. „Als Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen wir gegenüber der estnischen Regierung klarmachen, dass die geplante Ehrung mit unseren gemeinsamen Werten unvereinbar ist.“ Die EU-Kommission wollte sich nach Anfrage der taz nicht äußern. Man wolle sich nicht in die Belange von Mitgliedstaaten einmischen, hieß es in Brüssel.

Ähnlich zurückhaltend äußert sich der CDU-Politiker Ruprecht Polenz: „Geschichtspolitische Debatten werden deshalb so erbittert geführt, weil dabei immer auch Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen werden“, so der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Politik des Bundestags. „Diese Diskussionen muss jedes Land selbst führen, eine Einmischung von außen ist da eher kontraproduktiv. Ich sehe deshalb keinen Grund, weshalb sich deutsche Diplomaten einmischen sollten.“

Das Auswärtige Amt und der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning (FDP) wollten sich zu der Angelegenheit vorerst gar nicht äußern, zumal noch kein Gesetzentwurf vorliege. Das erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. DB, RR

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