Wiedervorlage für Kroatiens EU-Beitritt

Wegen mangelnder Zusammenarbeit Zagrebs mit dem Haager Tribunal einigen sich die EU-Außenminister, den Beginn der Beitrittsverhandlungen zu verschieben. Die Kroaten sind nicht überrascht, ihre EU-Begeisterung hält sich ohnehin in Grenzen

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Jetzt ist es amtlich: Die Europäische Union wird heute nicht mit den Verhandlungen über einen Beitritt Kroatiens beginnen. Grund für den gestrigen Beschluss der EU-Außenminister ist die mehrheitliche Überzeugung, Zagreb habe nicht, wie von der EU gefordert, „uneingeschränkt mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammengearbeitet. Ein neues Datum für den Beginn von Verhandlungen wurde nicht gesetzt.

Für die Menschen in Kroatien kommt das Votum nicht überraschend. „Europa will uns eben nicht“, sagt Vinko. Als Fischer aus Split fürchtet er ohnehin, dass nach einem EU-Beitritt Kroatiens die italienischen Fischfangflotten „sein“ Meer leer fischen werden. Auch der Lehrer Ante V. ist nicht geschockt. Vielleicht wäre die Integration in die EU ohnehin zu früh gekommen, meint er. „Wir sind doch noch nicht richtig auf den Wettbewerb in der EU vorbereitet.“ Um die Auslieferung des Generals Ante Gotovina allein gehe es doch nicht.

So denken nach neuesten Umfragen mehr als die Hälfte aller Kroaten. Doch für die Regierung stellt das Votum aus Brüssel eine Katastrophe dar, hatte sie ihre ganze Kraft doch auf diesen Termin konzentriert. Aufmerksam haben die Medien in den letzten Tagen registriert, wer für und gegen Kroatien eingetreten ist. Immerhin befriedigt viele Kommentatoren, dass mit Österreich, Ungarn und Slowenien die Nachbarn sich für Kroatien ausgesprochen haben. Dagegen sind Großbritannien und die Niederlande als Gegner ausgemacht. Frankreich und Deutschland hätten sich zurückgehalten, aber eine Verstimmung gegenüber diesen Ländern ist spürbar.

Klar dagegen ist die Meinung ehemaliger Kämpfer im Kriege. Das Adriastädtchen Pakostan, zwischen Sibenik und Zadar, gehörte zu den Frontstädten des Krieges in Kroatien. Hier, zwei Kilometer vom Strand entfernt, verlief 1991–95 die Frontlinie zu den von Serben besetzten Gebieten. Wäre es den serbischen Militärs gelungen, bis zum Meer vorzudringen, wäre Kroatien in zwei Teile gespalten worden.

Und von hier, von der Insel gegenüber, stammt der vom UN-Kriegsverbrechertribunal gesuchte General Ante Gotovina. Die Chefanklägerin Carla del Ponte führe einen Privatkrieg gegen Gotovina, erklärt der Exoffizier Ante Zoni Maksan in seinem luxuriösen Haus am Hafen des dalmatinischen Städtchens. Die Anklage gegen ihn stehe auf tönernen Füßen. „Einige der in der ersten Anklage 2001 angeführten Opfer Gotovinas sind noch am Leben.“ Gotovina hätte zwar das Kommando bei der Militäraktion Oluja vom 4. August innegehabt, doch sei er 9 Tage danach, nach dem Sieg gegen die serbischen Streitkräfte, nach Bosnien abkommandiert worden. Er hätte also gar nicht die Verbrechen begehen können, die nachweislich erst später verübt wurden. Den Haag gehe aber davon aus, Gotovina sei noch bis zum 15. November geblieben.

Die kroatischen Flaggen an den von serbischen Granaten zerstörten und wieder errichteten Häusern der Region zeigen, dass die Bevölkerung hinter ihrem Exkommandeur steht. Ante Zoni Maksan gilt sogar als „Unterstützer“ des Gesuchten. Deshalb darf er wie drei andere Exoffiziere nicht in die EU reisen. Und wegen dieses Verdachts verhörte ihn die kroatische Polizei im letzten September.

Ob Gotovina sich in Kroatien aufhält oder mit seinem französischen Pass in einem anderen Land, darüber will er nichts sagen. Nur dies: „General Ante Gotovina ist bereit, als freier Mann mit den Ermittlern des UN-Tribunals in Zagreb über die Anklage gegen ihn zu sprechen, um die falschen Anschuldigungen auszuräumen“, erklärt er. Die Frage, ob Gotovina sich nach diesem Gespräch Den Haag freiwillig stellen würde, bleibt offen.

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