„Aufsicht muss man auch durchsetzen“

Bankenexperte Hermann Wagner fordert eine schnelle Verbesserung der Bankenaufsicht

■ (53) ist Professor für Finanzmanagement an der Frankfurt School of Finance. Der ausgebildete Wirtschaftsprüfer arbeitet gleichzeitig für die Unternehmensberatung Roland Berger.

taz: Herr Wagner, die Finanzkrise ist seit fast zwei Jahren im Gange. Hat sich die staatliche Aufsicht über die Banken seither verbessert?

Hermann Wagner: Mit sehr viel Geld ist es gelungen, das System zu stabilisieren. Die Rettungsmaßnahmen laufen. Die grundsätzliche Reform der Bankenaufsicht steht allerdings noch aus. Die Frage ist, wie schnell sich die Regierungen in Europa und weltweit einigen.

Befürchten Sie, dass die Politiker zu langsam sind und es den Banken gelingt, die wirksame Reform zu verhindern?

Das Casino der großen Zockerei ist zusammengebrochen. Es wird nicht einfach renoviert. Trotzdem muss man vorsichtig sein. Wir sehen, was gerade in den USA passiert. Dort wollen sich die großen Banken möglichst schnell wieder aus dem Griff des Staates befreien. Das wird ihnen auch gelingen. Irgendwann ist die Zeit der staatlichen Notmaßnahmen vorbei. Dann muss die Reform der Finanzmarktaufsicht stehen.

Die transnationalen Banken sind so groß, dass man sie angeblich nicht pleitegehen lassen kann. Andererseits sind die Staaten mit der teuren Rettung beinahe überfordert. Muss die Konsequenz lauten, die Institute zu verkleinern?

Das geschieht schon. EU-Kommissarin Neelie Kroes drängt beispielsweise darauf, dass die Commerzbank im Gegenzug für staatliche Hilfen ihre Tochter Eurohypo verkauft. Und auch die Landesbanken werden durch das Bad-Bank-Gesetz der Bundesregierung erheblich schrumpfen.

Soll man auch Institute zerlegen, die nicht am Tropf des Staates hängen – etwa die Deutsche Bank?

Funktionierende Banken in unserem marktwirtschaftlichen System zu verkleinern, ist sehr schwer. Das berührt die Eigentumsrechte der Aktionäre. Deshalb diskutiert die Politik, wie man sie besser kontrollieren kann. Der ehemalige französische Notenbank-Präsident Jacques de Larosière hat vorgeschlagen, die großen, systemrelevanten, transnationalen Banken einer besonderen Aufsicht zu unterstellen, die für kleine Institute nicht gelten würde.

Diese europäische Bankenaufsicht existiert bisher nur in der Theorie, nicht in der Praxis.

Stimmt. Drei neue europäische Behörden sollen entstehen, um Banken, Versicherungen und Börsen grenzüberschreitend zu überprüfen. Aber das muss auch durchgesetzt werden.

Sollte man den Instituten den Verkauf bestimmter risikoreicher Produkte verbieten?

Nein, das ist unrealistisch. Verbietet die Aufsicht irgendein Produkt, würde die Bank sofort ein neues erfinden, das sich von dem verbotenen nur leicht unterscheidet. Für besser halte ich es, die Banken zu verpflichten, ihre Geschäfte mit mehr Eigenkapital zu unterlegen. Wer mehr eigenes Geld als Sicherheit in Reserve halten muss, agiert vorsichtiger.

Um Privatkunden vor schlechter Beratung durch die Banken und dem Kauf zu risikoreicher Geldanlagen zu schützen, fordern die Verbraucherzentralen einen TÜV für Finanzprodukte.

Das wäre in der Tat eine interessante Geschichte. Eine derartige Prüfinstanz könnte zum Beispiel die Aufgabe haben, die Eigenschaften der neuen Produkte transparenter zu machen, als sie heute sind. Die staatliche Aufsicht müsste dafür sorgen, dass jedes Produkt quasi eine Bedienungsanleitung erhält, die die Kunden auch verstehen.

INTERVIEW: HANNES KOCH