Reklameflut fließt weiter

DATENSCHUTZ Die große Koalition will die Bürger vor allzu viel Werbepost schützen. Doch der große Wurf ist das neue Gesetz leider nicht – denn es enthält zu viele Ausnahmen

VON DANIEL SCHULZ

Der Handel mit Adressdaten wird künftig beschränkt. Der Bundestag hatte ein entsprechendes Gesetz bis zum Redaktionsschluss zwar noch nicht beschlossen, aber die Zustimmung der großen Koalition galt als sicher. Kritiker monieren das Aufweichen des ehemals umfassend angelegten Gesetzes. „Es ist sicherlich nicht der große Wurf“, räumt der SPD-Datenschutzexperte Michel Bürsch ein. „Aber es öffnet die Tür für eine neue Zeit des Datenschutzes.“

Im renovierten Bundesdatenschutzgesetz stehen einige für Verbraucher besonders interessante Regelungen: Das Beschränken des Adresshandels soll besser vor ungewollter Werbepost schützen. Bisher dürfen werbetreibende Firmen Adressdaten weitergeben, wenn der Betreffende dem nicht widerspricht. Künftig muss er ausdrücklich zustimmen.

Beispiel: In einer Fußgängerzone steht ein Auto und ein Aufkleber verkündet, dass jeder, der ein ausliegendes Formular ausfüllt und durch das leicht geöffnete Fenster in den Wagen wirft, das Fahrzeug gewinnen kann. Auf diesen Zetteln muss man künftig ankreuzen, wenn das veranstaltende Unternehmen die Adressdaten beispielsweise an ein Versandhaus weiterverkaufen dürfen soll.

Dabei gibt es drei kleinere Ausnahmen: spendensammelnde Organisationen dürfen weitermachen wie bisher, Unternehmen können weiterhin Unternehmen ohne Einwilligung anschreiben, und die Empfehlungswerbung zu eigenen Zwecken bleibt ebenfalls möglich. Das heißt beispielsweise, dass der ADAC ohne ein Verbraucher-Ja Werbung für eine Unterorganisation machen darf, die Versicherungen anbietet.

Eine entscheidende Abweichung von der Regel stellt das weitgehende Beibehalten des sogenannten Listenprivilegs dar: Sind Adressdaten in Listen zusammengefasst, können sie auch ohne Einwilligung weitergegeben werden. Auf der Werbepost muss dann allerdings gekennzeichnet sein, von wem die Daten ursprünglich stammen. Bisher musste dort die Firma oder Organisation gespeichert werden, welche die Daten als letzte weitergeben hat. „Die neue Regel bedeutet eigentlich, dass die Unternehmen die gesamte Kette der Datenweitergabe von der Quelle an dokumentieren müssen“, sagt SPD-Mann Bürsch. „Das erleichtert es Betroffenen, sich zu beschweren.“

So positiv sehen das nicht alle. Kritik kommt von Datenschützern wie Peter Schaar (siehe Interview). Denn mit der Schonung des Listenprivilegs könnte sich – je nach Interpretation des Gesetzes – für die Unternehmen eine riesige Lücke auftun: Wenn sie einzeln erhobene Daten in Listen zusammenfassen, dürfen sie diese ohne Einwilligung weitergeben. „Das ist wohl möglich“, sagt SPD-Datenschützer Bürsch. „Adresshandelsfirmen oder Versandhäuser stellen Daten nach der Einzelgenerierung durch Gewinnspiele auch zu Listen zusammen. “

Adressdaten können dabei neben der Anschrift auch Name, Beruf, Geburtsjahr und Titel umfassen. Das Gesetz beinhaltet unter anderem noch eine Zusammenfassung des bisherigen Rechts zum Arbeitnehmerdatenschutz und mehr Rechte für Datenschutzbeauftragte. Es soll ab April 2009 in Kraft treten, die Passagen zum Adresshandel ein Jahr später.

Auch ob die Firmen die Ursprungsquelle der Daten künftig tatsächlich angeben, bezweifelt mancher Fachmann. „An die bisherige Regelung hat sich die Mehrzahl der Firmen nicht gehalten, weil sie keine Bußgelder fürchten mussten“, sagt Thilo Weichert, der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, der taz. „Ich weiß nicht, wieso das künftig anders sein sollte.“