Ich bin die RICHTIGE Beute!

Von der Gnade der späten Geburt oder Warum ich bisher 0,0 Kinder zur Sicherung des Standorts Deutschlands beigetragen habe

Jahrelang hieß es, die Männer müssten sich ändern. Nun läuft das Spiel umgekehrtPetra will einen Kerl, der sensibel ist, den Müll runterbringt, aber Karriere macht

Die Autorin dieses Artikels heißt N.N. Leider kann ich meinen Namen nicht preisgeben, denn ich werde gesucht, ach, was sage ich: gejagt! Von der deutschen Wirtschaft. Den deutschen Sozialkassen. Den deutschen Parteien. Renate Schmidt im Besonderen. Aber auch von Frank Schirrmacher, der gegen den demografischen Untergang des Abendlands kämpft.

Ich werde verfolgt, weil ich DIE RICHTIGE bin. Das größte Problem, das Deutschland derzeit hat, ist schließlich, dass nur DIE FALSCHEN noch Kinder bekommen. Hat der Jungliberale Daniel Bahr vor einiger Zeit mal gesagt. Und damit „die sozial Schwachen in diesem Land“ gemeint.

Damit aus dem „Methusalem-Komplott“ nicht auch noch eine Verschwörung der Armen wird, müssen endlich wir Akademikerinnen im gebärfähigen Alter ran. Die anderen Parteien sagen es nicht ganz so deutlich. Meinen aber das gleiche, wenn sie höflich auf die Statistiken verweisen, die belegen, dass 40 Prozent der deutschen Frauen mit Hochschulabschluss kinderlos bleiben, während in Frankreich und Schweden – nun, den Rest kennen Sie ja.

Ich fühle mich als Buhmann der Nation. Streikende sind schließlich nicht gern gesehen in einem Land, in dem, Umfragen zufolge, immer mehr Menschen Gewerkschaften als Wachstumsbremse betrachten. Ich bin 33 Jahre alt und habe bislang 0,0 Kinder zur Sicherung des Standorts Deutschland beigetragen. Selbst Hans Eichel kann bessere Bilanzen vorweisen.

In der Frankfurter Allgemeinen rechnet mir der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg Tag für Tag vor, dass die Deutschen spätestens im Jahr 2090 ausgestorben sein werden, wenn ich nicht bald etwas unternehme. Die Zeit plädiert für einen Paradigmenwechsel im Biologieunterricht: Anstatt den Teenies beizubringen, wie man unerwünschten Nachwuchs vermeidet, sollte man ihnen künftig klar machen, welch kurze Zeitspanne den Frauen, den RICHTIGEN zumal, eigentlich zur Fortpflanzung zur Verfügung steht.

Ich sitze da und reibe mir die Augen. Jahrzehntelang hieß es, die Männer müssten sich ändern. Müssten teilen und verzichten lernen. Die Realitäten anerkennen etc. Und nun läuft das Spiel auf einmal umgekehrt.

Schade, man hatte es sich eigentlich ganz gemütlich in der Annahme eingerichtet, dass grundsätzlich die Männer die Verhinderer und Blockierer sind. Mein Vater war früher mal Abonnent von Cosmopolitan. Ich habe ihn nie gefragt, warum, aber vermutlich hatte auch er ein schlechtes Gewissen. Vielleicht wollte auch er alles RICHTIG machen.

Über den klar definierten Frontverlauf des Geschlechterkampfs hinweg ließen sich derweil auf Arbeitsebene zahlreiche Koalitionen der Willigen schmieden. Beispielsweise konnte ich mich bislang nie über einen Mangel an beruflichen Möglichkeiten beklagen – vermutlich weil die Männer, für die ich gearbeitet habe, auch alles RICHTIG machen wollten und froh waren, wenn sie eine Frau fanden, die sie fördern konnten. Nicht verschweigen will ich zudem, dass ich gemeinsam mit diesen Männern so manches Mal kumpelhaft über die Institution der Frauenbeauftragten gelacht habe: Wie rührend, für Rechte zu streiten, die man doch längst ganz selbstverständlich in Anspruch nahm!

Schließlich genoss meine Generation die Gnade der späten Geburt im Geschlechterkampf. Andere, die Emmas, hatten gefochten – für uns, die Petras. Denn das wäre das Etikett, das ich unserer Generation aufkleben würde: Petra atmet die ganze Sprödigkeit der Siebzigerjahre. Und versprüht zugleich die aufgedrehte Attitüde der „modernen“ Frau, die „Sex and the City“- Fan ist und Glamour-Zeitschriften wie eben Petra konsumiert. Auf die gefürchtete „Emanze“ ist ein Frauentyp gefolgt, der sich mit Selbstbedienungsmentalität im Kramladen der Frauenbewegung umtut. Hier und da wird etwas Passendes herausgepickt, notfalls auch umgetopft, damit es in den Schrebergarten des eigenen Lebens passt.

Im Schutz der Anonymität kann ich es endlich gestehen: Ja, ich kenne auch Partnerschaften, in denen sich die (hochqualifizierte) Frau bequem in der Opferrolle eingerichtet hat. Und ich habe diesen Frauen oft, vielleicht zu oft verständnisvoll zugehört, wenn sie den Karrieren nachtrauerten, auf die sie zum Beispiel zugunsten der Kinder verzichtet hätten. Ich frage mich, ob Emanzipation bedeutet, dass die Fulltime-Mutter dem Mann abends, wenn er nach Hause kommt, den Müll vor die Tür stellt, damit er ihn runterbringt – schließlich kann er sich ja selbst verwirklichen im täglichen Kleinkrieg mit launischen Chefs und missgünstigen Kollegen.

Bevor es Steine hagelt: Selbstredend habe ich keine, absolut keine Ahnung vom schönen, aber eben auch aufreibenden Alltag mit Kindern. Und davon, dass Männer all ihre Schwüre („Wir kümmern uns beide um das Kind!“) bekanntlich schnell vergessen. Aber wundern kann ich mich ja trotzdem. Warum nicht mehr Frauen hartnäckiger Ziele verfolgen. Sodass sich ihr Einsatz endlich auch statistisch niederschlägt: Es gibt diese Frauen ja, aber es sind nicht genug. Noch immer – auch hier mangelt es nicht an Statistiken – fühlen wir uns vom Aufstieg in Spitzenpositionen fern gehalten. Aber ist das wirklich nur eine Frage des Mann- oder Frau-Seins – oder nicht auch eine Frage des Mumms?

Larry Summers, Präsident der Harvard University, hat vor einiger Zeit die Vermutung geäußert, es gäbe deswegen so wenige Professorinnen in den exakten Wissenschaften, weil Frauen von Natur aus schlechter rechnen könnten. Mit dieser These entfachte er einen Sturm der Entrüstung. Ich mag auch nicht an einen genetischen Determinismus unserer Gehirne glauben, aber ich frage mich schon, ob wir Frauen uns nicht in der Tat den Luxus leisten, es mit der Mathematik nicht ganz so genau zu nehmen.

Denn die Frage der Gleichberechtigung ist doch am Ende ein ökonomisches Problem. Nach der Geburt eines Kindes, auch das zeigen die Statistiken, bleibt derjenige zu Hause oder „steckt zurück“, der das geringere Einkommen hat. In vielen Fällen sind das die Frauen.

Aber haben wir diesen ärgerlichen Zustand nicht auch mit falschen Weichenstellungen selbst verschuldet? Ein Beispiel: Noch immer sind es Frauen, die massenhaft Anglistik und Germanistik studieren – Fächer, mit denen bekanntermaßen im Schnitt eher kleine Einkommen zu erzielen sind. Warum sind nicht längst mehr Frauen Ingenieurinnen oder Unternehmensberaterinnen geworden – zwei Jobs, in denen es um öde Materie, nicht um Selbstverwirklichung geht? Haben wir am Ende vielleicht doch nie ernsthaft damit gerechnet, die Verantwortung für mehr als nur für uns selbst übernehmen zu müssen?

Petra hat viele Rechte und wenig Pflichten. Ich frage mich, ob Männer unseres Alters die gleichen Wahlmöglichkeiten haben, was ihre Lebensgestaltung angeht?

Und Petra ist Macho. Sie will einen Kerl, der zwar sensibel ist und natürlich den Müll runterbringt, aber auch eine tolle Karriere macht. Anders als ein Mann, der dafür umgehend niedergebrüllt würde, können Frauen es sich heute immer noch leisten, berufstätige Mütter als „Rabenmütter“ zu bezeichnen. Es war nicht Roland Koch, sondern Heide Simonis, die Angela Merkel via Stern den freundlichen Ratschlag erteilte, doch auch mal an ihr Äußeres zu denken. Solidarität unter Frauen haben wir immer noch nicht gelernt.

Mein Vater liest übrigens längst keine „Cosmo“ mehr. Stattdessen schreibt er mir nun Briefe, in denen er mich mit dem Nachnamen meines Mannes anredet. Es macht ihm Spaß, weil er weiß, dass er mich damit ärgert; schließlich hat bei uns jeder seinen Namen behalten. Er ist 68 Jahre alt und kann sich heute wie Waldorf oder Staedler von der Loge aus über die fortdauernde Muppetshow des Geschlechterkampfs amüsieren.

Übrigens noch so eine Sache, die ich gern mal denjenigen sagen würde, die mich beständig daran erinnern, dass ich DIE RICHTIGE bin: Dass ich auch deswegen zögere, Deutschland und seinen Rentenkassen ein Akademikerkind zu schenken, weil ich nicht weiß, welchen Nachnamen es tragen sollte. Kriegt es seinen Namen, hätten die Konventionen am Ende doch gesiegt und ich samt der Sache der Frauen eine Niederlage erlitten. Kriegt es meinen Namen, lebe ich mich auf Kosten meines Mannes aus. Gerecht sind beide Lösungen nicht. So verlagert jeder Befreiungsschlag – wie damals die Neuregelung des Namensrechts – das Problem am Ende nur eine Stufe weiter.

Vielleicht sollten wir losen. Oder eine Umfrage unter wohlmeinenden Menschen starten, welcher Nachname besser klingt: Ein dreisilbiges Wortungetüm oder – so, und nun sage ich es Ihnen doch – SUSANNE FENGLER