Syrien gibt nach, Libanon jubelt

250.000 Menschen demonstrieren in Beirut. Syrisches Militär zieht sich zurück. Opposition skeptisch. US-Regierung fordert von Damaskus „Taten, nicht Worte“

DAMASKUS/BLOMBERG dpa/ap/afp ■ Mehr als eine viertel Million Menschen fanden sich gestern auf dem Märtyrerplatz von Libanons Hauptstadt Beirut ein, um für einen Abzug der syrischen Armee aus dem Land zu demonstrieren. Dabei begrüßten sie die am selben Tag in Damaskus getroffene Vereinbarung zwischen Syriens Präsident Baschar al-Assad und seinem libanesischen Amtskollegen Émile Lahoud, die syrischen Truppen bis Ende März in die Bekaa-Ebene im Ostlibanon zu verlegen. Einen Monat später soll dann über den endgültigen Abzug der 14.000 Soldaten entschieden werden, so die Einigung. „Syrien zieht ab“, skandierte die Menge auf dem Platz jubelnd.

Kurz darauf begannen syrische Soldaten, Kasernen zu räumen und Zelte abzubauen. Augenzeugen berichten zudem von einem ersten Militärkonvoi, der am Nachmittag in Richtung Bekaa-Ebene fuhr. Doch der libanesisch-christliche Oppositionsabgeordnete Pierre Gemayel bezweifelte noch gestern, dass mit der Vereinbarung von Damaskus der Truppenabzug besiegelt ist: „Sie haben keinen Zeitplan aufgestellt.“ Die Syrer „taktieren“ weiter, meinte Gemayel. Zugleich setzte sich die syrienfreundliche Hisbollah-Bewegung für ein Verbleiben der syrischen Soldaten im Libanon ein. Derweil schlägt die antisyrische Haltung zunehmend in Gewalt um: In der Stadt Sidon wurden syrische Arbeiter mit Holzlatten angegriffen.

Das Weiße Haus hat gestern seine Forderung nach einem vollständigen Abzug Syriens bekräftigt. Von Damaskus würden „Taten, nicht Worte“ verlangt, so ein Sprecher. Damaskus wisse, was es tun müsse. Auch Kanzler Schröder (SPD) und Frankreichs Staatspräsident Chirac erneuerten in einer gemeinsamen Erklärung im westfälischen Blomberg ihre Forderung, Syrien solle seine Truppen und Sicherheitsdienste aus dem Libanon „vollständig und schnellstmöglich“ abziehen. Sie bekräftigten ihre Unterstützung für einen unabhängigen, souveränen und demokratischen Libanon.

Deutschland und Frankreich, heißt es in der Erklärung, erwarteten sowohl von der libanesischen als auch von der syrischen Regierung umfassende Kooperation mit dem UN-Untersuchungsteam, das die Hintergründe des Attentats auf den libanesischen Expremier Rafik Hariri vor drei Wochen aufklären soll. „Wir sind der Meinung, dass nur unter diesen Voraussetzungen freie, faire und unabhängige Wahlen im Libanon möglich sind“, so Schröder und Chirac.

Außenminister Fischer trifft heute in Berlin mit dem libanesischen Oppositionsführer Walid Dschumblatt zusammen. Der angekündigte Rückzug syrischer Truppen aus dem Libanon steht im Mittelpunkt ihrer Gespräche.