Ein linker Pragmatiker und ein Krebsspezialist

Mit Tabaré Vázquez tritt zum ersten Mal ein Linker das Amt des Präsidenten von Uruguay an

Trotz seines überragenden Wahlsieges wollte Tabaré Vázquez weiterhin als Arzt arbeiten. Dennoch: Am Dienstag trat er sein Amt als Präsident von Uruguay an. „Ich glaube dass es gut ist, wenn ein Präsident so viel Kontakt wie nur möglich mit der Bevölkerung hat“, sagt der Mediziner. Als Arzt ist Vázquez ein anerkannter Krebsspezialist, im Nebenberuf war er Präsident eines Fußballvereins („Progreso“), erst Ende der Achtzigerjahre verschlug es ihn in die Politik.

Im Jahr 1989 wurde er für das Linksbündnis Frente Amplio zum Bürgermeister der Hauptstadt Montevideo gewählt, die seit bald 15 Jahren fest in der Hand der Linken ist. Vor den Präsidentenwahlen 1994 tritt er zurück, um zum ersten Mal nach dem höchsten Amt im Staat zu greifen – erfolglos. Trotzdem wird er fünf Jahre später wieder von dem Frente Amplio bei den Präsidentenwahlen aufgestellt. Im Jahr 1999 ist er im ersten Wahlgang der Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereinen kann, scheitert dann aber knapp in der Stichwahl gegen den jetzt aus dem Amt scheidenden Präsidenten Jorge Batlle.

Vázquez ist ein engagierter und kampagnenerprobter Politiker. Doch er hängt nicht an der Stelle des ewigen Kandidaten. Vor den Wahlen hat er gesagt, dass dieser Wahlkampf sein letzter sein würde, wenn er es auch im dritten Anlauf nicht schaffen würde, Präsident zu werden. Sein Ziel hat er jetzt erreicht.

Vázquez ist ein moderater Linker und Realpolitiker, der integrieren kann. Seine bescheidene Art zieht auch Menschen an, die nicht automatisch die Linke wählen würden. Noch dazu sieht er mit seinen grauen Hosen und dem dunkelblauen, mit Kupferknöpfen besetzten, Jackett so aus, wie sich auch konservative Uruguayer einen Präsidenten vorstellen. Auch politisch ebnete er ihnen einen Weg zur Linken, indem er es vermied, sich allzu klar zu positionieren. Trotzdem hat er immer wieder klargestellt, dass die Sozialpolitik sein wichtigstes und erstes Anliegen als Präsident sein wird. Darin ähnelt er seinem brasilianischen Amtskollegen Luiz Inácio „Lula“ da Silva, der sich den Kampf gegen den Hunger auf die Fahnen geschrieben hat. Doch solche Vergleiche mag Vázquez nicht. Auf Lula angesprochen, sagt er: „Man muss klarstellen, dass man die Erfahrungen der unterschiedlichen Regierungen nicht klonen kann.“

Als Wahlkämpfer hat Vázquez den Uruguayern keine Dinge versprochen, die er nicht halten kann. Die Forderung nach Einführung eines Mindestlohns, wie er sie noch 1999 vertreten hat, ließ er fallen. Stattdessen hat er bei allen öffentlichen Auftritten darauf hingewiesen, dass auch eine linke Regierung keine Wunder vollbringen kann und dass das Land in der „schwersten sozialen und wirtschaftlichen Krise seiner Geschichte steckt“, ergo: dass er kaum Spielraum hat. Damit versuchte er, die Erwartungen an seine Regierung so niedrig wie möglich zu halten und trotzdem die Wahlen zu gewinnen – dieses Mal mit Erfolg. INGO MALCHER