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NACHRUF Michael Jackson ist tot. „Thriller“ bleibt – das erfolgreichste Album der Popgeschichte

Der Fluch des zweiten Albums, er liegt als Drohung über allen Popstars, die für ihr Debüt ein Leben lang Zeit haben, aber ein makelloses Nachfolgewerk abliefern müssen, wollen sie zum Idol der Massen werden. Michael Jackson, der gestern in Los Angeles im Alter von 50 Jahren gestorben ist, hatte bereits 15 Jahre als Kinderstar auf dem Buckel, als sein Debütsoloalbum „Off the Wall“ 1979 als Klassiker der Discomusik gefeiert wurde. Was aber waren die 10 Millionen verkauften Exemplare von „Off the Wall“ gegen „Thriller“, Jacksons zweites Werk, mit dem der Sänger 1982 alle Rekorde der Popmusik brach. „Beat It“, „Billie Jean“ oder „Wanna be Startin’ Somethin’“ wurden zu weltumspannenden Hymnen. Es waren pompöse, mit einem technologischen Masterplan komponierte Dancepopsongs. Sieben der neun Lieder des Albums platzierten sich an der Spitze der Charts. Die 60 Millionen verkauften Schallplatten von „Thriller“ stehen für eine Karriere, wie es sie in ihren Superlativen, aber auch in ihren Monstrositäten vor- und nachher in der Unterhaltungskultur nicht gegeben hat. Mit dem Megaerfolg von „Thriller“ begann der lange Abstieg des Musikers. Von Jacko, dem behandschuhten Meisterchoreografen, Erfinder des „Moonwalk“-Tanzschritts und des hypersexualisierten Falsett-Juchzers, zu Wacko, dem hautgebleichten Phantom mit der Sauerstoffmaske, der des Kindermissbrauchs beschuldigt wurde und als bankrott galt. In wenigen Tagen hätte der Dornenkönig der Popmusik Comeback-Auftritte in London bestreiten sollen.

Michael Jackson war sechs Jahre alt, als er und seine Geschwister als Jackson Five einen Talentwettbewerb gewannen und von Motown Records verpflichtet wurden. Man inszenierte die Jacksons als nette Jungsband von nebenan. Hinter den Kulissen war die Rede von schweren Misshandlungen, die bei Michael Jackson Spuren hinterlassen sollten. Schon damals stellte er als genialer Musiker, aber auch als Entertainer und charismatischer Vortänzer seine Brüder in den Schatten.

Jacksons Bühnenpräsenz, seine Tanzschritte, die Songdramaturgien und Inszenierungen in seinen Videos waren sinnbildlich für die kinetische Energie von Popmusik. Michael Jackson ist aber auch die tragischste Figur, die je durch die Mühlsteine der Musikindustrie nach oben gemahlen wurde. JULIAN WEBER

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