Yoga rockt, Yoga heilt

YOGA-TRENDS Sonnengruß zu Zimbelmusik. Das war Yoga gestern. Heute wollen Berliner auf der Matte schwitzen und „abrocken“. Neue Stile wie Acro-Yoga und Jivamukti-Yoga befriedigen dieses Bedürfnis

■ Vom 3. bis 5. Juli 2009 findet das 5. Berliner Yoga-Festival statt. Zum diesjährigen Motto „Yoga – way to nature“ passt der neue Veranstaltungsort am Havelufer im Kulturpark Kladow, wo Besucher auch zelten können.

■ Die Veranstalter erwarten über 50 Referenten und Künstler. Es gibt einen „Gesundheits- und Yoga-Marktplatz“, Yogastunden zum Ausprobieren und ein spezielles Kinderprogramm.

■ Als besondere Höhepunkte empfehlen die Veranstalter die Konzerte mit Al Gromer Khan am 4. Juli 2009 ab 21.15 Uhr, Dave Stringer & Band am 4. Juli ab 17.15 Uhr, und Sat Hari Singh am 3. Juli 2009 ab 14.30 Uhr

■ Das Programm am Freitag bietet ab 16 Uhr Yoga für Schmerzpatienten sowie zur gleichen Zeit einen Vortrag über Hormon-Yoga und ab 18 Uhr Jivamukti-Yoga; am Samstag gibt es ab 17 Uhr Acro-Yoga und am Sonntag ab 16 Uhr Atmung & Mudras für Schwangere.

■ Ort: Kulturpark Kladow, Neukladower Allee 9, 14089 Berlin; Tickets: Festivalkarten: 39 € ab 18 Jahren, 25 € ab 12 Jahren; Tageskarte 18 € ab 18 Jahren, 15 € ab 12 Jahren, 3 € unter 12 Jahren; Programm: www.yogafestival.de

VON JANET WEISHART

Den Raum füllen Melodien von Bob Dylan. Etwa 20 Brustkörbe bewegen sich im Yoga-Loft in Berlin-Mitte auf und ab. Geräuschvoll ziehen die Yoga-Jünger die Luft durch die Nase ein und atmen aus. Die Ujaji-Atmung soll dem Körper Energie verleihen, und die ist beim Jivamukti-Yoga neben viel Kraft auch vonnöten.

Denn beim Jivamukti werden unzählige Asanas, Übungen, wie der Hund, die Krähe oder der Fisch schnell im Wechsel mit dem Atem gemacht. Zu den Beats von Moby biegen sich die Körper rastlos. Viel Schweiß rinnt da über die Haut. Gabriela Bozic, die auch in Berlin Jivamukti-Workshops leitet, erklärt: „Die Musik ist bei dieser Yogaform neu, die Botschaft alt. Aber gerade das zieht junge Menschen an. Jivamukti übersetzt das traditionelle Yoga ins Jetzt.“ Oder wie der Guru des Yogastils, David Life, sagt: „Wir haben Gott hip gemacht.“ Jivamukti kam aus Amerika, sah und siegte. Bald benennt sich das Berliner Yoga-Loft als zweites Studio Deutschlands in Jivamukti-Yoga-Center um, wie sein New Yorker Vorbild. Mancher wird sich dann vielleicht noch ein wenig mehr wie Sängerin Madonna oder Popstar Sting fühlen, die diesen Trend populär machten.

Immerhin jeder fünfte Berliner besucht nach einer TNS-Infratest-Umfrage aus dem Jahr 2009 Yogakurse, 20 Prozent sind Männer. Bei Jivamukti sind es mit 40 Prozent noch mehr. „Schauspieler, Manager, Philosophen, Studenten“, sagt Bozic, seien das. Jivamukti heißt „Befreiung der Seele“, und darum gibt es in jeder Stunde auch Meditatives. Hauptlohn sind aber straffe Haut und schlanke Taille.

„Wir haben Gott hip gemacht“

JIVAMUKTI-LEHRER DAVID LIFE

„Einen tollen Körper zu bekommen, darum geht es den meisten Teilnehmern der progressiven, schnellen Yogastile. Die Zielgruppe ist cool, trendy und will auch in ihrer Freizeit busy sein. Junge Leute fahren auf die Kurse mit lauter Musik ab“, sagt Anke Rebetje, die Pressesprecherin des Berufsverbandes der Yogalehrenden Deutschlands (BDY). Wer sprichwörtlich noch höher hinausturnen will, sollte Acro-Yoga probieren. Der neueste Trend aus Kalifornien mischt Akrobatik, Thai-Massage und Yoga. Der Berliner Acro-Yogi Kai Ribereau fand darin vor einem Jahr seine Berufung. Nach Turm- und Fallschirmspringen erturnt er sich nun damit seinen täglichen Adrenalinschub. Was ihn am Acro-Yoga fasziniert? „Das kann ich endlich zu zweit ausüben“, sagt er.

Beim Acro-Yoga liegt ein Partner am Boden, „Base“ genannt. Der andere trainiert auf den Fußsohlen der „Base“ und heißt „Flyer“. Wie Kinder auf den ausgestreckten Füßen ihrer Eltern turnen, tun es beim Acro-Yoga Erwachsene. Yoga-Profi Kai Ribereau ist von dem Gefühl, „da oben die Kontrolle über seinen Körper abzugeben“, begeistert. Ribereau schwärmt: „Das geht über reine Körperarbeit hinaus. Denn ich muss bereit sein, mit anderen zu interagieren und ihnen zu vertrauen.“ Ein positiver Nebeneffekt ist die Thai-Massage, die die „Base“ beim „Flyer“ mit ihren Füßen bewirkt, indem sie ihn in der Luft balanciert und knetet. „Da oben“, sagt Ribereau, „nimmt der ‚Flyer‘ dann Yogaübungen wie die ‚Heuschrecke‘ ein – das ist der Unterschied zur reinen Akrobatik.“ Damit die Übungen korrekt ausfallen, helfen Assistenten den Paaren; was auch in Jivamukti-Stunden so sein sollte. Ribereau schränkt aber ein: „Acro-Yoga ist nichts für Leute mit Rückenproblemen.“

BDY-Sprecherin Rebetje betont: „Nur Gesunde sollten die kraftintensiven Yogakurse besuchen. Wer körperliche Einschränkungen wie Knie- oder Herzprobleme hat, sollte sie meiden!“ Die Yogalehrerin überrascht der Erfolg der „lauten Trends“, und sie wundert sich: „Warum wollen die Leute nicht zur Ruhe kommen?“ Traditionelle Yogis sehen die Yogaphilosophie darin verraten, ja sogar verkauft, sagt Rebetje. Für ein Zurück zu mehr Stille und innerer Einkehr plädiert Petra Ehlich. Die Dresdnerin praktiziert eine ungewöhnliche Yogaform. „Ich verbinde klassisches Hatha-Yoga mit dem positiven Einfluss des Mondes“, erklärt sie. Ehlich entdeckte einen Zusammenhang zwischen Mondrhythmus, Yogaübungen und der Wirkung auf Körperregionen und Organe. „Steht der Mond z. B. im Widder, hat er auf den Kopf und die Lunge Einfluss. Wer in dieser Zeit etwa die Yoga-Übung ‚das Boot‘ macht, bei der das Lungengewebe gestärkt wird, verdoppelt die Übungswirkung.“ Deshalb wendet Ehlich ausgewählte Asanas nur während bestimmter Mondphasen an. Dazu gibt sie Tipps, wie an Widdertagen spazieren zu gehen, um die Lunge zu kräftigen. „Der Mond wirkt, auch wenn man nicht dran glaubt“, sagt Ehlich. Wissenschaftliche Untersuchungen gibt es dazu nicht.

„Junge Leute fahren auf Yoga mit Musik ab“ ANJE REBETJA VOM BERUFSVERBAND DER YOGALEHRENDEN

Anders bei der Yogatherapie. „Sie wirkt laut zahlreichen Studien gegen chronische Schmerzen und Stress. Darum vertrauen immer mehr Menschen dieser ganzheitlichen Behandlung“, bestätigt BDY-Sprecherin Antje Rebetje. Studien der vergangenen drei Jahre zeigen, dass Yoga das Herz-Kreislauf-System stärkt, Stress oder Rückenschmerzen reduziert, Migräne lindert und den Blutdruck senkt. Yogalehrerin und Heilpraktikerin Carmen Mager begleitete seit 1998 Studien für Rheumapatienten, gemeinsam mit dem Therapeutenteam vom Gesundheitszentrum „Weg der Mitte“ in Berlin-Zehlendorf. „Etwa 80 Prozent der Teilnehmer haben dank der Yogatherapie weniger oder gar keine Schmerzen mehr.“

Manche Yogatherapien verwundern jedoch. Lin Ananda Holmqvist aus Finnland legt ihre Patienten zum Beispiel auf ein Nagelbett. Das entspanne und stille Schmerzen, sagt sie. Beim Berliner Yogafestival will sie die Technik erklären.

■ Geprüfte Yoga-Lehrer unter www.bdy.de