Chance für Spaniens illegale Immigranten

Ab heute will die Regierung in Madrid 800.000 Arbeitskräfte ohne Papiere regularisieren. Aber viele Unternehmer haben ihre Schwarzarbeiter schon im Vorfeld entlassen. Schlepper versuchen Geschäfte mit gefälschten Verträgen

MADRID taz ■ Die auf 800.000 geschätzten illegal in Spanien arbeitenden Immigranten können ab heute auf Papiere hoffen. In einem drei Monate langen Regularisierungsprozess sollen sie die heiß ersehnte Arbeitserlaubnis erhalten. Die Regierung ermöglicht allen Arbeitgebern, die einen Ausländer ohne Papiere beschäftigen, diesen jetzt bei der Sozialversicherung anzumelden. Ist der Antrag dort erst einmal genehmigt, bekommt der Immigrant bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung.

Seit Wochen stehen tausende von Immigranten Schlange vor den Konsulaten ihrer Heimatländer. Dort müssen sie für die Regularisierung eine Kopie des polizeilichen Führungszeugnisses aus der Heimat beantragen. Außerdem brauchen sie einen Auszug aus dem kommunalen Melderegister, der belegt, dass sie bereits vor dem 7. August 2004 in Spanien lebten. Zusammen mit dem Reisepass und einem mindestens sechsmonatigen Arbeitsvertrag muss der Arbeitgeber dann bei einem der 158 Sozialversicherungsniederlassungen vorsprechen.

„Nicht alle Unternehmer wollen ihre Arbeiter legalisieren“, beschwert sich Mohamed Haidour von der Gewerkschaft CCOO. Er gehört dem Komitee aus Regierungsbeamten sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern an, das den Regularisierungsprozess überwacht. Zwar sieht das neue Gesetz vor, dass ein Immigrant seinen unwilligen Arbeitgeber anzeigen kann, doch viele haben bereits vor Wochen ihre ausländischen Schwarzarbeiter ganz einfach entlassen. „Ich glaube nicht an die 800.000 Legalisierungen, von denen die Regierung ausgeht. Wenn wir 400.000 zu Papieren verhelfen, ist das ein Erfolg“, ist sich Haidour sicher.

Wer keine Arbeit hat, wird auch weiterhin in der Illegalität leben müssen. Nach Ende der Regularisierung oder „Normalisierung“, wie die spanische Regierung den Prozess lieber genannt haben will, droht ihnen die Abschiebung – freilich nur in den Fällen, bei denen mit dem entsprechenden Heimatland ein Rücknahmeabkommen besteht. Bei den meisten schwarzafrikanischen Ländern ist das nicht der Fall.

Insgesamt wird die Zahl der „sin papeles“ in Spanien auf über eine Million geschätzt. Sie stellen rund 40 Prozent der in Spanien lebenden Ausländer. Die letzte Regularisierung fand im Jahr 2000 statt. Damals erhielten 300.000 Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung.

Eines der größten Probleme beim Regularisierungsprozess werden vermutlich die falschen Arbeitsverträge sein, mit denen die Schleppermafien versuchen könnten, ihre „Kunden“ gegen mehrere tausend Euro zu legalisieren. Die für die Immigration zuständige Staatssekretärin Consuelo Rumí versucht die Bevölkerung zu beruhigen: „Wir haben alle Mittel in Bewegung gesetzt, um zu verhindern, dass dieser Prozess zu mehr Unsicherheit für die Spanier führt“, erklärt sie. Vier Ministerien – das Arbeits-, Sozial-, Innen- und Außenministerium – haben die Kapazität ihrer Computeranlagen verdreifacht. Mit Beginn der Regularisierung werden sie zusammengeschlossen, um es den 1.231 zuständigen Beamten per Datenabgleich zu ermöglichen, gefälschte Arbeitsverträge aufzuspüren. Beim leisesten Betrugsverdacht sollen Polizei und Arbeitsinspektoren eingeschaltet werden.

Aus der EU kommen Proteste angesichts der massiven Regularisierung von Immigranten. „Die Betroffenen können danach einfach nach Frankreich oder Deutschland weiterreisen“, beschwert sich der bundesdeutsche Innenminister Otto Schily. „Wir hätten zuerst untersuchen müssen, was für Auswirkungen diese Initiative auf das restliche Europa hat“, unterstützt ihn seine holländische Amtskollegin Rita Verdonk. REINER WANDLER