STEFAN HEIDENREICH KUNST UND GELD
: Art Basel: Schwarzmarkt

Nach der Marktbereinigung spricht nichts gegen Business as usual beim Kunsthandel

In ihrem Buch „Hype“ zitiert Piroschka Dossi einen gewissen Konrad Tobler, der behauptet, mindestens die Hälfte aller Umsätze im deutschen Kunsthandel seien der Geldwäsche und der Steuerflucht geschuldet. Jüngste Auktionserfolge in Paris und auf der Messe in Maastricht haben viele Beobachter darauf zurückgeführt, dass sich das Schwarzgeld auf Nummernkonten in der Schweiz nicht mehr sicher fühle.

Als ich „Das schwarze Quadrat“ von Malewitsch erstmals in der Moskauer Tretjakow-Galerie selbst gesehen habe, war ich am meisten über die Bröseligkeit der schwarzen Fläche erstaunt. Was auf Abbildungen abstrakt und klar daherkommt, ist in Wahrheit rissig und voller Schrunden, sodass es seltsam lebhaft wirkt.

Es gibt eine Menge amüsanter Geschichten rund um das Papiergeld in der Kunst. Wie ein Sammler seinen Boten mit einer Plastiktüte voller Geldbündel in die Galerie schickt. Oder ein anderer die Flughafenkontrollen passiert, den halben Unterkörper mit Geldscheinen zugepflastert. Besonders die Scheine in der Unterhose hätten arg gezwickt, erinnert er sich.

Dachte man noch im letzten Jahr, das Rumoren der Finanzwelt könnte in eine veritable Krise übergehen, sieht die schöne alte Welt der Geldwirtschaft heute schon wieder strahlend rosa aus. Ein beherzter Griff in den Staatssäckel hat die Banken mit einer Unzahl von Nullen abgedichtet. Nicht nur Finanzinstitute haben überlebt, auch Boni für ihre Angestellte und nebenher all die großen Vermögen, die sie behüten. Von der Vermögensseite betrachtet, stehen alle Ampeln für die Kunst im Jahr null nach der Krise wieder ganz auf Grün. Wohin soll man sonst mit dem vielen Geld? Investitionen rentieren sich nicht. Unternehmen schreiben rote Zahlen. Risiken der Bankenbranche wurden nur verschoben, nicht beseitigt. Zinsen sind zu niedrig. Nach einer vorübergehenden Marktbereinigung und dem Ausfall einiger unzuverlässiger Spekulanten spricht nichts gegen Business as usual am Kunstmarkt.

Die Lösung ist einfach: Man bringe das Kunstwerk aus dem Zollfreilager in Basel-Dreispitz zur Messe. Dort wird es verschoben, dann wieder eingelagert und nach zehnjähriger Frist ohne weiteren staatlichen Ärger für gutes Geld verkauft. Der Kunstmarkt eignet sich ideal für Geldwäsche, weil er zersplittert ist in ein schwer durchschaubares Geflecht aus Galerien, Händlern und Auktionen. Das schafft eine Preisbildung, die intransparenter kaum sein könnte. Barzahlung nicht ausgeschlossen! Ohne zentrale Erfassung ist eine zuverlässige Kontrolle kaum möglich. Eine Weile sah es aus, als sollten die Steueroasen tatsächlich trockengelegt werden. Aber man hätte sich gleich denken können, dass dem lauten Trara kaum Taten folgen. Seit die schwarze Liste der Steuerfluchtländer eingeführt wurde, haben wir es schriftlich, dass es Derartiges gar nicht gibt. Wie viele Länder stehen noch auf der Liste? Keins.

Dass 50 Prozent des Kunstmarkts vom Schwarzgeld umgetrieben werden soll, scheint dennoch zu hochgegriffen. Ich habe mich also ein wenig erkundigt. Wenn er nach der Herkunft seiner Überweisungen geht, nämlich Virgin Islands, würde ein Bekannter den Anteil ungefähr auf die Hälfte schätzen, entschlüpfte es ihm spät in der Nacht. Darunter wollte niemand gehen. Meine Stichprobe ist zugegebenermaßen alles andere als erschöpfend. Nur ein einziger der Befragten wich vom Konsens ab. Das mag an seiner sizilianischen Verwandtschaft liegen. Er erhöhte auf 70 Prozent.

Ich bin gerne in Basel. Ich mag es, mich schwimmend den Rhein hinabtreiben zu lassen. Ich schätze die Stadt umso mehr, als ich Orte bewundere, die intellektuelle Weltgeltung besitzen. Wann immer ich kann, schlendere ich an der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vorbei. Der Turm in Form eines Münzstapels beherbergt eine der unspektakulärsten und mächtigsten Institutionen unserer globalen Finanzarchitektur. Oder am Hotel Euler am Bahnhofsvorplatz, wo sich die Zentralbanker der Welt zu ihren legendären Meetings getroffen haben. Ich habe mich immer gefragt, wie es gelingen konnte, in der kleinen Stadt am Dreiländereck die weltwichtigste Kunstmesse anzusiedeln. Wer weiß schon, dass Malewitsch sein „Schwarzes Quadrat“ zuerst als eine Dekoration für eine Oper gedacht hatte. Sie trug den schönen Titel „Sieg über die Sonne“.