„Washington ist enttäuscht“

Deutschland muss in Zukunft darum kämpfen, von den USA wahrgenommen zu werden, fürchtet der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer

■ ist 57 Jahre alt und seit 1987 Abgeordneter im Bundestag. Hoyer ist stellvertretender FDP-Vorsitzender und außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Von 1994 bis 1998 war er Staatsminister im Auswärtigen Amt.

taz: Herr Hoyer, Barack Obama ist nicht nach Berlin gekommen. Wie groß sind die Irritationen zwischen Deutschland und den USA?

Werner Hoyer: Sie waren vor dem Besuch erheblich. In Washington ist man über die Deutschen enttäuscht. Denn die Bundesregierung versteht nicht, wie tiefgreifend die Veränderungen der US-amerikanischen Politik sind. Sie bringt sich nicht ein.

Wo sehen Sie Defizite?

Fundamentale Fehlentscheidungen der Bush-Administration will die neue Regierung korrigieren. Hier wurden die Partner – auch Deutschland – zur Mitarbeit eingeladen. Das wurde nicht aufgegriffen.

Konkrete Konflikte gibt es um Afghanistan und die Guantánamo-Häftlinge.

Das stimmt. Die Amerikaner wollen eine neue Strategie für Afghanistan erarbeiten. Daran muss sich Deutschland beteiligen. Bei der Guantánamo-Frage wurden dramatische Fehler gemacht. Die Bundesregierung hätte sich von Anfang an positionieren müssen. Dann hätte man jetzt nicht die Diskussion um die innere Sicherheit. Das hat die Regierung versemmelt.

Obama sprach in Dresden von Deutschland als „engem Freund und entscheidendem Partner“ – klingt das nicht trotzdem versöhnlich?

Das wurde auch höchste Zeit. Das Problem ist aber, dass Europa für die Amerikaner nicht mehr im Kern des Geschehens liegt. Der Fokus liegt jetzt auf Asien, dem Nahen Osten und Afrika. Deutschland muss darum kämpfen, überhaupt als relevanter Faktor für die USA wahrgenommen zu werden. Dresden war nur ein erster Schritt.

Stand Merkel George W. Bush zu nahe, um sich jetzt mit Obama richtig gut zu verstehen?

Ja. Merkel hat sich sehr in George W. Bushs Nähe begeben, um das angespannte Verhältnis aus den Schröder-Jahren wieder zu verbessern. Jetzt hat sie offenbar Schwierigkeiten, ihre eigenen Mitarbeiter von der veränderten Situation im Weißen Haus zu überzeugen.

Obama verbreitet Aufbruchstimmung. Warum lässt sich Angela Merkel nicht davon mitreißen?

Merkel ist zu mathematisch und analytisch, um sich der emotionalen Ebene hinzugeben. Aber Obama weiß, dass Merkel wahrscheinlich auch in Zukunft eine tragende Rolle in Europa spielt.INTERVIEW: GORDON REPINSKI