Videoauge im Geranienkasten

OBSERVATION Polizei bringt in Privatwohnungen Videokameras an, um die Schanze zu überwachen. Grundlage sei die Strafverfolgung. Datenschützer äußert Bedenken

„Die Voraussetzungen für Videoüberwachung sind eng“

Datenschützer Hans-Joachim Menzel

VON KAI VON APPEN

Big Brother ist in der Schanze. Die Polizei bemüht sich zur Zeit, AnwohnerInnen des Viertels dazu zu animieren, dass sie versteckten Kameras in ihren Privatwohnungen zustimmen. Mit ihnen will die Polizei das Leben auf der Straßen filmen. „Es sind mehrere Personen angesprochen worden“, erklärt ein Insider.

In einer Erklärung berichten AnwohnerInnen, dass bereits erste Kameras installiert worden seien: Die „Daten werden zentral erfasst und von Polizeibeamten in Echtzeit überwacht“. Die Bilder werden live – wie auf der Reeperbahn – zu einem Polizeistützpunkt übertragen.

Nach Auffassung dieser Schanzenbewohner bildet die „heimliche Kameraüberwachung eine neue Norm, die zunehmend den gesamten Alltag erfasst und im Auge hat“. Davon sollte sich jedoch niemand einschüchtern lassen. „Wir verweigern uns solchem Kontrollwahn, verstecken uns aber nicht“, heißt es. Man lasse sich von den „Überwachungs- und Drohgebärden nicht verschrecken“ und werde „nicht widerstandlos die Kulisse für die Big-Brother Träume der Innenbehörde“ bilden.

Die Polizei dementiert den Ausspäh-Angriff nicht. „Ich kann nicht ausschließen, dass so etwas passiert“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer der taz. Die Überwachung sei nach der Strafprozessordnung auch zulässig, „um Täter auf frischer Tat zu ertappen“. Ob die Polizei tatsächlich Videokameras in der Schanze installiert hat, wollte Meyer nicht sagen. „Dann würde ich ja die Maßnahme konterkarieren.“ Ausschließen wollte er allerdings, dass eine Videoüberwachung auf der Grundlage des Polizeigesetzes zur Datenverarbeitung (PolDVG) zur Gefahrenabwehr erfolge, nachdem die Straßen um die Rote Flora als „Gefahrengebiet“ deklariert worden seien.

Aus guten Grund: „Die Voraussetzungen für Videoüberwachung sind ziemlich eng“, sagt der stellvertretende Hamburgische Datenschutzbeauftragte Hans-Joachim Menzel. Videoüberwachung sei nach dem Polizeigesetz zwar in Gebieten mit Kriminalitätsschwerpunkten – wie auf der Reeperbahn und dem Hansaplatz – zulässig. Dennoch müssten dann polizeirechtliche Voraussetzungen vorliegen, die Genehmigung des Vermieters vorhanden sein und, so Menzel, „sie müsste mit uns – davon gehen wir aus – abgesprochen sein“.

Es klinge wie ein schlechter Scherz, dass die Polizei ihre Überwachungskameras jetzt „zwischen Geranien und Satellitenschüsseln auf privaten Balkons installiert“, schimpft der Bürgerschaftsabgeordnete der Linkspartei, Norbert Hackbusch. Die Verantwortlichen offenbarten damit einen grenzenlosen Überwachungswahn, um mit „allerlei möglichen und unmöglichen Methoden die weißen Flecken der Kameraüberwachung“ zu schließen.

Hackbusch hofft nun, dass kein Schanzenanwohner den Kameras zustimmt und diejenigen, die bereits eingewilligt haben, ihren Schritt wieder rückgängig machen: „Bei mir braucht die Polizei jedenfalls nicht zu fragen“, sagt der Parlamentarier.