Holt mich hier raus!

Elvis Costello quält seine Stimme – und sich gleich mit. Und gastiert mit „The Imposters“ auf Kampnagel, jetzt

Der Elvis, der 1977 als junger Hüpfer herunterblickte vom kleinkarierten und dennoch großen Debüt-Album My Aim Is True, hat wenig zu tun mit dem inzwischen zum Chamäleon mutierten Costello. Das nämlich schlägt sich zwischen Klassik-Werken („Il Sogno“), Easy Listening-Kompositionen, Jazz, Balladen sowie Swamprock und Country herum und sucht sich mit jedem Masterpiece neu zu erfinden.

Meist aber wälzt sich Elvis im immergleich schmachtenden Liebesschmerz. Aktuell versucht er sich als Sumpfblumenrocker, der erschöpft und unrasiert von der Alligatorenjagd heimkommt und Geschichten vom „Delivery Man“ singt. Dieser Charakter, den Costello 1986 in einem Song für Johnny Cash erfand, beruht auf einem realen Fall: Ein Mann schleppt 30 Jahre die Schuld mit sich herum, einen Jugendfreund ermordet zu haben. Ein verzweifelter Versuch, den eigenen Horizont zu weiten?

Costellos selbstquälerische Stimme wagt sich jedenfalls an Tonlagen, die ein halbes Regal zu hoch sind und quetscht das Unsagbare heraus. Für diese Wagnisstärke liebt man ihn. Fast scheint es, als würde er mit jedem weiteren Album bitten: Holt mich hier raus. Ich bin ein Star. Stattdessen aber singt er, dass er ein Delivery Man sein möchte, der in bestimmtem Licht aussieht wie Elvis. Oder Jesus.

Auf dem Album finden sich neben süßen Sahnehaubentaucher-Balladen jede Menge lostretender Stomper, die leicht übersteuert nach vorne stürmen. Es gibt sogar ein Duett mit Emmylou Harris. Und manchmal singt Elvis auch so treffende Zeilen wie „Everything is changing and most of it is wrong.“ Ob er damit auch die vor zwei Wochen erschienene Track-Live-EP Futurama Sessions meint?

Carsten Klook

Sa, 29.1., Kampnagel