IM WEINBERGSPARK
: Sinneswandel zur Ehe

Ich finde ja heiraten eher schlecht

Eine laute, hohe Stimme weckt nach und nach meine Aufmerksamkeit und auch die der anderen, eher schläfrigen Sonnenanbeter im Weinbergspark. Noch leicht schwindelig versuche ich die Quelle zu orten, als das Sprechen einfach nicht aufhört.

Blinzelnd erkenne ich eine hellblonde Frau mit Megafon am unteren Ende des Parks. Neben ihr stehen drei Freundinnen. Andächtig haben sie ihre Hände ineinander gelegt und lauschen feierlich der Ansprache.

Ich bin zwar vom Schlaf in der Sonne noch etwas benommen, beginne aber langsam zu verstehen, dass es der blonden Frau um die Bekanntmachung ihres Entschlusses geht, alsbald zu heiraten.

Der Wind trägt die meisten ihrer Worte davon, während ich noch die Hintergründe der Verkündigung ergründe. Wahrscheinlich ist es einfach ein Statement vor Zeugen, was die Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens bekräftigen soll. Ich finde ja Heiraten prinzipiell eher schlecht, ebenso wie unfreiwillig zur Zeugin einer öffentlich bekundeten Heiratsabsicht zu werden. Aber nach einer Weile finde ich die Frau richtig süß in ihrer Begeisterung, und die Sonne scheint, und dann verstehe ich auch besser, was sie sagt: Sie haben sich beim Tanzen kennen gelernt, und der Antrag war am 4. 4., und weil er vor ihr auf die Knie fiel, habe sie gar nicht anders gekonnt, als Ja zu sagen, und seitdem beglückwünsche sie sich jeden Tag, dass sie diesen tollen Mann heiraten werde.

Ich habe jetzt den Verdacht, sie will sich das mit Gewalt schön reden. Aber dann wünscht sie uns noch viel schöne Sonne und Glück und umarmt ihre drei Zeuginnen. Da denke ich, dass sie wirklich glücklich ist, und frage mich, warum das nicht bis nach der Hochzeit oder sogar ein ganzes Leben halten könnte. Also, meinen Segen soll sie haben. Und immerhin steht es jetzt auch in der Zeitung. KATHARINA HEIN