gottschalk sagt
: Lasst Euch nicht vermöbeln!

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Die taz ist ja bekannt für ihre lustigen Überschriften. Gut fand ich gestern „Brechmittel gefährdet Koalition“, weil mir gleich mehrere Personen aus verschiedenen Parteien einfielen, die gemeint sein könnten. Es ging aber um den Brechmitteleinsatz durch die Bremer Polizei. Vorgestern verwirrte mich der Stadt-Anzeiger mit der Überschrift „Schaefer gegen zehn Geschosse“. Ging es um Abenteuer des Vorsitzenden des Haus- und Grundbesitzervereins im Ersten Weltkrieg? Der junge Hanns weicht behände zehn feindlichen Geschossen aus. Er erkennt: Krieg zerstört Immobilien und wird Pazifist. Nein, es ging um Hochhäuser.

Achtung, elegante Überleitung: In Hochhäusern sind viele Wohnungen, welche wiederum mit Möbeln gefüllt sind und zur Zeit findet in Köln die Möbelmesse statt. In der Berichterstattung bekommen wir fetzige Designerstühle und coole Schlafzimmerschränke gezeigt, mit dem wirklichen Leben hat das soviel zu tun, wie die Mailänder Modewochen mit der passenden Garderobe für ein Gartenfest in Köln-Vingst.

Im echten Deutschland sitzen Frauen mit Katzenapplikationen auf dem Pullover neben Männern in Billigjeans auf riesigen Sofas von Polster-Troesser in der Pressspanmöbelhölle. Tipp: Wenn Freunde sich diese großen Wohnzimmerschränke mit integrierter Glasvitrine anschaffen, kann man sie getrost aus dem Telefonverzeichnis streichen. Was stellt man in diese Glasvitrinen? Schrott aus Überraschungseiern? Den Traumwagen im Maßstab 1:25? Sachen, die man beim Verkaufsfernsehen bestellt hat?

Möbel gehören zu den überschätzten Gegenständen. Das liegt daran, dass die Vorstellung davon, wie man leben möchte, ihren Ausdruck auch in der Wohnung finden soll. Man will „es gut haben“. Deshalb kauft man Lichterketten aus Plastikhalbmonden. Deshalb steht auf den LKW nicht „Möbel“ sondern „Wohnträume.“ Deshalb darf die PR-Abteilung der Möbelmesse richtig auf die Kacke hauen.

Das Konzept „ideal house“ wird da so erklärt: „Eine Geschichte ist niemals wirklich zu Ende, nach dem Komma folgt immer eine Fortsetzung. Genau so ist es auch mit jedem Tisch, Stuhl oder Sofa, mit einem MP3 Player, einem Kurs, einem Job oder einer Vase: Wünsche entwickeln sich immer weiter.“ Lasst Euch nicht vermöbeln! Diese Geschichte endet mit einem Komma,