„Rudi wäre grüner Spitzenmann“

Christian Semler, Ex-APO-Führer, sieht den Mitstreiter Dutschke am Ende der 70er auf dem Weg zurück an die Spitze der Bewegung – das sind die Grünen

INTERVIEW THILO KNOTT
UND PETER UNFRIED

taz: Herr Semler, die 70er-Jahre beginnen. Und der APO- und Studentenführer Rudi Dutschke lebt in Aarhus, Dänemark. Mit Kleinfamilie, zeitweise in einer Zweizimmerwohnung.

Christian Semler: Er ist von vielen Erfahrungen abgeschnitten.

Warum?

Wenn du in einer solchen Weise aus der Bahn geworfen wirst …

durch das Attentat vom 11. April 1968 …

… dann musst du dich erst mal wieder einfädeln und auch Selbstvertrauen gewinnen, wenn du die Sprache wieder erlernen musst. Er hat 68/69 nur mit Leuten, mit denen er wirklich gut zurechtkam, überhaupt Kontakt gehabt. Mit mir zum Beispiel. Der andere Punkt ist: Er hatte die Nase gestrichen voll, sich in diesem Westberliner Milieu zu bewegen, und wollte einfach raus. Er wollte ja schon 1968 in die USA.

Dann lebt er also in Dänemark …

Ja gut, da habe ich ihn nicht mehr besucht, es war erst mal Funkstille. Von 1971 bis 1975.

Warum?

Wir machten damals unseren Maoisten-Laden …

die KPD/AO …

… das hat alle Energien verschlungen, klingt komisch heute, aber um alte Freundschaften hat man sich nicht gekümmert, das war eine generelle Charakterschwäche der damaligen Zeit. Mein Gott, was man alles aufgekündigt hat, was an Freundschaften zerbrach.

Man hatte Wichtigeres zu tun?

Ja, jetzt lässt es sich leicht darüber reden, aber das war alles sehr schmerzlich, idiotisch und völlig unnötig.

Der Kontakt zu Dutschke wurde aber revitalisiert.

Weil wir den Eindruck gewonnen hatten, der meldet sich zurück, er vertritt interessante Sachen.

Schwierig nach diesen vier Jahren?

Das ging nahtlos weiter. Diese Nahtlosigkeit war auch erkauft mit Schweigen über manche Sachen. Aber so ist das in jeder privaten Beziehung auch. Du kannst nicht alles auf den Tisch legen. Und richtig warm geworden sind wir erst wieder, als es um die Frage ging, wie es eigentlich mit den Grünen aussehen sollte. Aber er hat nie gesagt, warum hast du dich eigentlich nie gemeldet diese fünf Jahre lang. Das wäre später gekommen, hoffentlich.

Dutschke will also zurück, aber die Welt hat sich verändert.

Die Welt hat sich total verändert insofern, als sein ursprüngliches Bezugssystem, die Außerparlamentarische Opposition, nicht mehr existiert. Dafür existiert ein neues Bezugssystem. Wie wird sich jemand, der zwar kein Klassentheoretiker im Sinne des Marxismus ist, aber sehr stark in der marxistischen Tradition denkt, sich verhalten?

Wie?

Er assimiliert von seinem alten klassenübergreifenden Denken her die ganze ökologische Fragestellung in einer produktiven Weise.

Das geht so einfach?

Na ja, da haben dogmatischere Leute viel größere Schwierigkeiten. Ich auch. Wie vereinbart sich denn die Klassenfrage mit der ökologischen Frage? Gut, es gibt im Kommunistischen Manifest den Satz, dass entweder die eine Klasse siegt oder die beiden Klassen miteinander untergehen. Wenn man so will, kann man das im Sinne der ökologischen Katastrophe interpretieren.

Und dann ist da die nationale Frage.

Genau. Dutschke ist ja im Gegensatz zur großen Mehrheit der radikalen Linken jemand, der ein offenes Sensorium für die nationale Frage hat in Deutschland, für die Tatsache, dass es zwei Staaten gibt. Das hat biografische Ursachen, weil er aus Luckenwalde kommt, von der Jungen Gemeinde. Es ist aber auch strategisch: Wie will man eigentlich die Gesellschaft umwälzen, und das wollte er ja, bei der Existenz zweier Gesellschaftssysteme auf deutschem Boden? Seine Antwort: Man muss versuchen, den revolutionären Prozess wieder zu synchronisieren. Bei Rudi sind es die Volksmassen, bei den Dogmatikern wie mir sind es die Arbeiterklassen. Aber es geht tatsächlich nur, wenn die in irgendeiner Weise zusammenkommen. Sonst ist eine sozialistische Perspektive weder in ökologischer noch in sozialistischer Hinsicht möglich.

Es gibt also die linke Öffentlichkeit nicht mehr, deren Held er war. Zitat aus der taz vom 21. September 1996: „Die zersplitterten kommunistischen Mummenschanzgruppen bevorzugen die Hinterzimmer für ihre Abgrenzungskämpfe.“ Sind Sie gemeint?

Was heißt denn hier Hinterzimmer? Der KBW beispielsweise, das war die größte der maoistischen Gruppierungen, hat auf dem Höhepunkt seines Einflusses 20.000 Leute organisiert. Wir …

die KPD/AO …

… waren nur ein paar hundert, ein paar tausend mit den so genannten Frontorganisationen. Aber die Anforderungen an die Leute waren selbstverständlich viel höher. Ich wende mich überhaupt nicht gegen den Sektenbegriff, aber ich wende mich dagegen zu behaupten, dass das ein Mummenschanz gewesen sei.

Die Genossen von 1968 hatten sich, schrieb die taz, „schon längst von den offenen Theoriedebatten abgewandt und wenigstens in ihren Fantasien an die Machtpole in Moskau und Peking angekoppelt“. Gut getroffen?

Ja, bitte sehr. Ich finde es schäbig gegenüber Leuten, die selbstverständlich Dogmatiker waren und sich auch entsprechend verhalten haben in Bezug auf Rigidität der Organisation und innere Unterdrückung. Aber die haben sich auch wahnsinnig angestrengt. Das ist keine Kleinigkeit gewesen, in den Betrieb zu gehen oder nach Dortmund zu ziehen und rund um die Uhr zu arbeiten. An etwas wie dem fehlgeschlagenen Projekt der Mobilisierung der jungen Arbeiter innerhalb des Ruhrgebietes. Das hat was sehr Existenzielles, das absorbiert alle Energien. Das kann irgendein Schwachkopf, der nie vor einer solchen Entscheidung stand, natürlich ironisieren, bitte sehr.

Warum so sauer?

Also, ich würde jeden unterstützen, der sagt, damals wurden Menschen unterdrückt und in ihren guten Absichten missbraucht von Leuten, die von einer falschen Theorie ausgingen. Aber zu behaupten, da sei gewissermaßen gesellschaftlich überhaupt nichts passiert, außer dass ein paar Leute in ihren Hinterzimmern zusammenhockten und die 68er-Bewegung verfrühstückt haben, das ist eine totale Fehlperspektive.

Dutschke …

… Dutschke hatte seinen alten Resonanzkörper verloren, richtig. Er stand draußen. Aber jetzt kommt das Sozialistische Büro mit seinen Tagungen, da versammelten sich auch tausende von Leuten. Es gibt erneut Überlegungen über Zeitungsprojekte, also Wiederaufnahme der Anti-Springer-Geschichten. Dann, ab der zweiten Hälfte der 70er-Jahre, gibt es den Gründungsprozess der Grünen. Und in diesen Gründungsprozess fädelt sich Dutschke ein.

Was will er? Zurück auf die Bühne?

Nein. Er ist nicht belastet durch eine enge klassentheoretische Sicht der Verhältnisse.

Das heißt konkret?

Du bist klassenmäßig ein Arschloch und bleibst auch eins, das war überhaupt nicht sein Ding. Die wesentlichen Kritikpunkte sind die gleichen, gegen die er sich in den 60ern gewandt hat. Nur jetzt in einer ökologischen Zuspitzung. Und weil er als radikal Linker, der er nach wie vor ist, letzten Endes doch in Organisationskategorien denkt, ist er fest entschlossen, mitzuwirken innerhalb dieses Gründungsprozesses.

Es gibt jetzt eine totale Fokussierung auf die Ökologie.

Ja, es hat einen dramatischen Wandel gegeben: In der Grundfrage, warum man eigentlich revoltiert. Mitte der 70er war es ganz klar, dass es die Ökologie war, die eine sehr große Anzahl von Leuten quasi reingestrudelt hat in den politischen Prozess. Für die Linken der 60er-Jahre, wenn es Sozialisten waren, und das waren ja auch die meisten Antiautoritären, ergibt sich das peinliche Problem, weil es bisher immer hieß: Im Sozialismus ist alles möglich. Jetzt kommt aber die Gegenseite und sagt, es ist nur noch sehr wenig möglich, und zwar unabhängig von der Gesellschaftsform. So wie das mit der Naturzerstörung läuft, geht es hier um klassenübergreifende Phänomene. Und das ist die große Herausforderung der Bundesrepublik.

Und Dutschke …

… hat sich verabschiedet vom marxistischen Klassenbegriff, was sehr günstig ist für ihn und für die, die mit ihm sind.

Weshalb günstig?

Weil es darauf ankommt, die Leute um dringende Bedürfnisse herum zu organisieren und nicht mehr nur um die Hauptachse, die Achse der Arbeiterklasse. In seiner Vorstellung geht es um eine Koalition verschiedener Gruppen und Schichten in der Gesellschaft.

Was will er dann bei den Maoisten?

Man muss natürlich auch sagen, dass er ab 1978 gespürt hat, dass wir mitten in einem Umwandlungsprozess waren und uns die Frage gestellt haben, wie die ML in der ökologischen Bewegung funktionieren könnte.

Wie?

Entweder durch Anpassung, wie der Kommunistische Bund im Norden das getan hat. Oder wie bei uns durch eine Parteidiskussion, an deren Ende wir uns auflösten. Wir stellten Leute, die gut organisieren konnten, dafür waren wir ja bekannt. Wenn es drüber und drunterging, in der Anti-AKW-Bewegung, bei den großen Konferenzen, dann schrie einer: „Ein Stalinist ans Mischpult.“

Dutschke personifizierte in dieser Bewegung die damals Neue Mitte …

Nicht die Neue Mitte. Er wollte Wertkonservative haben wie Herbert Gruhl. Er wollte die gesamte Front der Konservativen schwächen.

War das inhaltlich oder taktisch gedacht?

Das war in erster Linie taktisch gedacht, aber auch ein bisschen inhaltlich, in Abgrenzung von den dogmatischen Linksradikalen, die mit ihrem ständigen Reden von der Achse der Arbeiterklasse, um die sich alles drehen musste, die Organisationsmöglichkeiten verspielten, die in der ökologischen Bewegung tatsächlich lagen.

Ist die 1979 erfolgte polizeiliche Ummeldung Dutschkes nach Bremen die inoffizielle Bewerbung für eine politische Führungsrolle bei den Grünen?

Ja, Dutschke hätte zweifellos zum Führungspersonal der neuen Grünen gezählt. Dafür hatten sich längst Leute ausgesprochen, die ihn liebten und bewunderten. Er hätte offene Türen eingerannt.

Und er wollte sie auch einrennen?

Er wollte zurück ins Zentrum einer emanzipatorischen Bewegung, und er hat die Grünen als eine solche Bewegung verstanden. Wen er überhaupt nicht mehr mochte, das waren die Linksradikalen der 60er-Jahre. Die mussten sich entweder transformieren, oder sie sollten abtreten. Aber das hat er im Prinzip schon Ende der 60er-Jahre gesagt. Insofern ist der Dutschke der späten 70er-Jahre, was seinen politischen Anspruch betrifft, sagen wir ruhig, seinen Führungsanspruch, durchaus vergleichbar mit dem Dutschke der späten 60er-Jahre.

Warum hat Dutschke Kameras und Öffentlichkeit gesucht, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Semler, und anderen Vordenkern?

Ein Teil der Linksradikalen und des SDS und der APO in den 60ern war sehr froh, dass es so jemanden gab, der, wie man heute sagen würde, authentisch rübergekommen ist.

Nicht alle waren froh?

Die andere Seite hat das unheimlich angekotzt, und zwar aus der Idee heraus, die später bei den Grünen wieder hochkam, Führerkult dürfe es nicht geben, eine emanzipatorische Politik müsse sich entschieden auf Gleichberechtigung aller Mitglieder stützen.

Er hat mit dem Kapital für die Zeitschrift „Capital“ posiert.

Das hat sehr viele, insbesondere viele Intellektuelle aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund wahnsinnig geärgert.

Was war Ihre Position?

Ich fand es absolut notwendig, dass ein Teil der Medien darauf abgefahren ist. Ich sagte: Mehr davon. Ich hatte das sichere Gefühl, dass uns gar nichts Besseres passieren konnte. Und das stimmte auch. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass er das, was er sagt, ehrlich meinte. Er war kein Demagoge. Was er mir sagt, im kleinen Kreis oder vor 200 Leuten, das ist das Gleiche, was er in der Glotze sagt.

Er ist kein Darsteller.

Genau. Und das haben die Leute gespürt. Das habe ich gespürt.

Herr Semler, mancher fragt sich: Wo wäre Deutschland, wenn nicht Fischer, sondern Rudi Dutschke Außenminister wäre.

Der Marsch durch die Institutionen ist freilich eine kitschige Vorstellung. Ich glaube aber, dass Rudi damit etwas Subversives gemeint hat. Definitiv nicht gemeint hat er den JuSo-Weg.

Nicht den schrittchenweisen Weg an die Macht.

Nein. Der Marsch durch die Institutionen war der Marsch des Unruhestiftens, des Unterminierens, der Bildung von befreiten Zonen innerhalb unserer Gesellschaft. Es ging um die allmähliche Schwächung der Machtbasis, der Machtelite. Deswegen glaube ich nicht, dass er jemals für eine Regierungsbeteiligung gewesen wäre.

Sicher?

Na ja, oder er hätte halt das über Bord geworfen. Joschka Fischer war ja viel zu jung, um sich damals darüber Gedanken zu machen, große Gedanken meine ich. Aber bei Dutschke war das doch tief begründet, dass der Marsch durch die Institutionen einen subversiven Charakter haben sollte.

Wo ist Dutschke Ende der 70er?

Er ist gerade wieder dabei, groß einzusteigen.

Auch im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit?

Ja. Wir machten in der AL eine Veranstaltung in Westberlin, es waren ein paar tausend Leute da, die gerne wissen wollten, wo es jetzt langgehen sollte, weil Franz Josef Strauß Kanzlerkandidat war. Da war Dutschke da, Petra Kelly, Wolfgang F. Haug, icke für die Maoisten. Und Gerhard Schröder für die JuSos.

Der spätere Kanzler.

Bei dem Schröder und mir haben sie höflich geklatscht, aber Dutschke hatte den Superbeifall.

Herr Semler, es gab drei zentrale Beerdigungen in den 70ern. 1974 Holger Meins, 1977 Ernst Bloch und am 3. Januar 1980 die von Dutschke selbst.

Richtig. Bei Meins war ich nicht.

Warum nicht?

Nachdem wir die RAF-Leute anfangs wegen der Isolationsfolter noch unter demokratischen Gesichtspunkten unterstützt hatten, sagten wir: Die agieren ja wie eine KGB-Filiale. Damit wollen wir nichts mehr zu tun haben.

Dutschke ging nicht nur hin. Er sprach auch den legendären Satz: „Holger, der Kampf geht weiter.“

Ja, aber das bezog sich selbstverständlich nicht auf die RAF-Aktivitäten. Die hat er rundheraus abgelehnt. Es ging darum, dass er eben sagen wollte, er, Holger Meins, gehört weiter zu der großen Bewegung, bitte keinen Ausschluss, keine Abgrenzung. Eine große herzliche Geste, das war es auch schon.

Welcher Kampf war gemeint, der weiter gehen sollte?

Der Emanzipationskampf generell, der weltweite. Nicht der Kampf der RAF. Er hat ja auch nicht gesagt: „Holger, dein Kampf geht weiter.“

Damals linksliberale Blätter wie „Spiegel“ und „Frankfurter Rundschau“ kritisierten ihn.

Sicher. Aber obwohl ihm taktische Kalküle nicht fremd waren, hat er da so ein emphatisches Bewusstsein gezeigt. Vielleicht war es auch ein emotionaler Überschwang des Augenblicks. Für uns waren die RAF-Leute das Allerletzte. Deswegen habe ich mit ihm auch nie drüber geredet.

Beim Begräbnis von Bloch 1977 beschäftigte sich Dutschke mit einer Art Verteidigung der Exekution des Bankiers Jürgen Ponto durch die RAF.

Noch mal, es war der Versuch, diese Leute nicht fallen zu lassen, erst recht im Tod nicht, sondern ihnen eine gemeinsame Perspektive in einem emanzipatorischen Kampf zuzubilligen. Das ist etwas, wo wir uns nie verstanden hätten. Obwohl es schrecklich ist, ist es gleichzeitig auch nicht unsympathisch.

Dutschke war ein guter Mensch?

Ja. Er war gutherzig, das ist ein schönes deutsches Wort. Oder, abfällig gesprochen, ein Gutmensch, wie bestimmte Idioten heute sagen.

Eher Brückenbauer als Brückeneinreißer?

Ganz bestimmt. Er hat mit Leuten verkehrt, die hätte ich nicht mit der Feuerzange angefasst.

Zum Beispiel?

Ach, irgendwelche Millionärsgattinnen oder Ähnliches. Ich habe auch ein reichlich instrumentelles Verhältnis dazu gehabt, Geld aufzureißen. Um nicht zu sagen ein zynisches Verhältnis. Aber er war überhaupt kein Zyniker, sondern hat es ernst gemeint. Der hat noch jeder Millionärsgattin zugetraut, wenn sie ihr bisheriges Leben als verfehlt erachtet, ja, dann fängt sie eben ein neues an. Das ist mir völlig unvorstellbar. Ich habe zu sehr gehasst.

Das war das Utopische oder das Naive in ihm?

Ach, ich war auch Utopist, aber er war eben noch in viel stärkerem Maße jemand, der an die Entwicklungspotenziale jedes einzelnen Menschen geglaubt hat, das ist doch großartig. Nee, wirklich, das hat ihn so anziehend für mich gemacht. Denn so ein abgefuckter Typ, der an die Konditionierung der Leute durch ihre Klassenlage glaubt und dass es nur in revolutionären Situationen anders gehen kann, also so jemand wie ich, der stand nur staunend davor. Aber ich mochte den Rudi. Genau deswegen. Das war ja auch dieses Christliche. Ich war vollkommen anders sozialisiert. Ich war sozialisiert in Vergeblichkeit.

Ironiker?

Natürlich. Das war dieser ironische Grunddiskurs, dieser Vergeblichkeitsdiskurs, die Verzweiflung über die Bundesrepublik Deutschland als Nazihort usw. Das war meine Sozialisation bei der Münchner Linken.

Dutschkes Beerdigung 1980. Was sollte Ihre Faust an seinem Grab ausdrücken?

Rudi, der Kampf geht weiter.

Sie lachen?

Das ist eine ganz spontane Sache gewesen. Am offenen Grab, sehr pathetisch. Aber man ist eben nicht nur in eine Richtung gewebt. Grade beim Ironiker sind die pathetischen Momente die wichtigen. Also, eins war der Rudi übrigens nicht, er war kein Ironiker.

Das hätte uns jetzt auch überrascht.

Der hätte nie einen wirklich guten Witz erzählt, er kannte auch keinen. Aber er lachte gern. Wir haben viel gelacht.