Der taz-Antrag auf Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße
: Ein Symbol für die gesellschaftliche Versöhnung der Generationen

Folgendes Schreiben schickte die taz gestern an die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg und zugleich an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, das Abgeordnetenhaus, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Cornelia Reinauer:

Anlässlich des 25. Todestages von Rudi Dutschke am 24. Dezember 2004 beantragt die tageszeitung (taz) aus Berlin die Umbenennung der Kochstraße, 10969 Berlin, in Rudi-Dutschke-Straße.

Mit der Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße soll ein Mann gewürdigt werden, der die jüngere Vergangenheit Berlins wie der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich geprägt hat, der als Studentenführer eine gesellschaftliche Bewegung mit ausgelöst und getragen hat und der zum Symbol von Gegenöffentlichkeit und Meinungsfreiheit geworden ist. „Unkorrupt bis ins Mark“, schrieb der verstorbene Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein über Dutschke.

Der Name Rudi Dutschke ist mit der Studentenbewegung untrennbar verbunden. Im Februar 1965 wurde der Soziologiestudent in den politischen Beirat des „Sozialistischen Deutschen Studentenbundes“ (SDS) gewählt und nahm ab 1966 an diversen Demonstrationen, u. a. gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg, teil. Er rief zur Bildung einer außerparlamentarischen Opposition auf. Nachdem der Student Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien erschossen wurde, entwickelte sich Dutschke fortan zum Motor der ganzen antiautoritären Bewegung in der Bundesrepublik. Er wird Mitorganisator der „Springer-Kampagne“, welche die Enteignung Axel Springers forderte.

Am 11. April 1968 wird Rudi Dutschke von Josef Bachmann mit drei Schüssen schwer verletzt. Dem jungen Hilfsarbeiter wurden rechtsextreme Tendenzen nachgesagt. Die Tat brachte ihm sieben Jahre Gefängnis ein. Später erklärte Bachmann, dass er Dutschke nie persönlich kennen gelernt hatte, sondern durch die Kampagne der Bild-Zeitung angestachelt worden war. Es folgten international große Protestkundgebungen, und Dutschke wird das Sinnbild für den Medienmissbrauch des Springer-Konzerns. Die Kochstraße ist mittlerweile Symbol für Gegenöffentlichkeit. Nicht umsonst benannte die tageszeitung nach dem Umzug in die Kochstraße ihr Verlagsgebäude in „Rudi-Dutschke-Haus“. Der Name soll an die „Anti-Springer-Kampagne“ gemahnen, vor allem auch an die bösartigen Verhetzungen der von Studenten ausgehenden Außerparlamentarischen Opposition durch Bild und B. Z. „In der absoluten Hingabe an die Wahrheit liegt mehr oder weniger der einzige Grund unseres Lebens“, schrieb der 20-jährige Dutschke 1960.

Am Eingang des Verlagshauses der „tageszeitung“ befindet sich die einzige Gedenktafel für Rudi Dutschke in Berlin. Darauf steht: „Am 11. April 1968 wurde Rudi Dutschke von einem Rechtsradikalen auf dem Kurfürstendamm angeschossen. Am selben Abend demonstrierte in der Kochstraße die Außerparlamentarische Opposition. Mehrere tausend Menschen versuchten, die Auslieferung jener Tageszeitungen zu verhindern, in denen die Bewegung und die Person Rudi Dutschke denunziert wurden. Aus der Einsicht in die Notwendigkeit einer alternativen Öffentlichkeit entstand 1979 die tageszeitung. Rudi Dutschke starb am 24. Dezember 1979 in Aarhus an den Spätfolgen des Attentats.“

Die Umbenennung in Rudi-Dutschke-Straße wäre ein Symbol für die gesellschaftliche Versöhnung der Generationen – in Berlin wie in Deutschland überhaupt.

Mit dieser Umbenennung würde auch die jüngste Vergangenheit Berlins gewürdigt. Der Name Kochstraße geht auf den Bäckermeister und Kommunalpolitiker Johann Jakob Koch zurück, der sich, das sei zugestanden, um Berlin verdient gemacht hat – im 18. Jahrhundert. Allerdings kennt heute kaum noch jemand den Namensgeber der Kochstraße, einer zentralen Straße übrigens im alten Zeitungsviertel Berlins. An diese Tradition des Zeitungsviertels, die Wichtigkeit einer breiten Zeitungslandschaft und kritischen Gegenöffentlichkeit, würde der Name Rudi-Dutschke-Straße erinnern.

Wir bitten daher, unseren Antrag in den zuständigen Gremien zu beraten und im antragsgemäßen Sinne zu entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen

taz – die tageszeitung

KARL-HEINZ RUCH

Geschäftsführer