EU verschont Energiekonzerne

VERSORGER Das EU-Parlament beschließt neue Regeln für Strom- und Gasmärkte. Die Vorschriften werden die Marktmacht von Eon & Co nicht brechen, sagen Kritiker

AUS BRÜSSEL SUSANNE GÖTZE

Gut gemeint, aber Ziel verfehlt: Gestern stimmte das EU-Parlament in Straßburg mit großer Mehrheit einem Gesetzespaket zur Liberalisierung des Energiebinnenmarktes zu. Trotz der hehren Absichten europäischer Politiker haben sich aber am Ende wieder die großen Konzerne durchgesetzt. Kernpunkt des Pakets ist die Trennung des Netzbetriebs von der Stromerzeugung und Gasversorgung. Dadurch sollen diskriminierende Marktstrukturen abgebaut werden, die kleinere Anbieter behindern.

Die EU-Kommission und Parlamentarier hatten monatelang hartnäckig eine Enteignung der Netze gefordert, wenn Versorger einen Verkauf ablehnen sollten. Allein in Deutschland besitzen die vier großen Energieversorger die Hoheit über 90 Prozent der Verteilernetze – in Frankreich ist die Situation ähnlich. Deshalb weigerten sich die beiden Länder beharrlich, eine Enteignungsbestimmung im neuen Energiepaket zuzulassen, und forderten einen „Dritten Weg“: Die EU-Staaten können zwischen drei Optionen wählen, um ihren Energiemarkt zu „entflechten“. In Deutschland wird wohl die dritte Möglichkeit angewendet werden: Netz, Erzeugung und Versorgung dürfen in einer Hand bleiben. Allein „strengere Regeln“ – wie ein separates Aufsichtsorgan und Maßnahmen gegen diskriminierendes Verhalten – sollen dafür sorgen, dass bei den Unternehmen Kraftwerke, Verteilung und Vertrieb unabhängig voneinander arbeiten. Verzichten werden die Deutschen auf die erste und zweite Option: Gegen die eigentumsrechtliche Entflechtung hatte die Bundesregierung im Vorfeld opponiert, und die Möglichkeit, die Netze von einer unabhängigen Institution verwalten zu lassen, halten Experten für zu bürokratisch.

Ob sich dieser „Dritte Weg“ nicht als Mogelpackung zur Erhaltung der Marktmacht der großen Konzerne erweist, muss die Praxis zeigen. Parlamentarier sind skeptisch: Die grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms bezweifelt, dass das Energiepaket die gewünschten Effekte erzielt. „Ich wette mit Ihnen, dass wir bald wieder hier zusammensitzen und das Thema Entflechtung noch einmal von Grund auf neu diskutieren.“ Sie gehe davon aus, dass es weder zu der gewünschten Transparenz noch zu einer wirklichen Preissenkung komme. Auch die Berichterstatterin Eluned Morgan von den Sozialdemokraten glaubt, dass die neuen Regeln den Konzernen zu viele Schlupflöcher böten, um sich über die Verordnungen hinwegzusetzen. Immerhin sind die vorgesehenen Strafen beim Verstoß gegen die Entflechtungsvorschriften nicht gerade zimperlich: An die 10 Prozent seines Gewinnes muss der betreffende Versorger dann abdrücken. Das wäre bei Eon – der Konzern macht rund 9,9 Milliarden Euro Gewinn im Jahr – immerhin knapp eine Milliarde Euro. Tatsächlich soll die Kommission schon an einem vierten Energiepaket basteln. Inhalt: Entflechtung.

Positiv aufgenommen werden aber die vom Parlament ausgehandelten Verbraucherrechte, die gegen die Aufweichung der Entflechtungsvorschriften „eingetauscht“ wurden. Strom- und Gaskunden können nun binnen drei Wochen kostenlos zu einem günstigeren oder umweltfreundlicheren Anbieter wechseln. Kunden haben dann auch das Recht, Entschädigungen oder Erstattungen zu verlangen, sollte die vertraglich vereinbarte Leistungsqualität nicht eingehalten werden oder es zu ungenauen und verspäteten Abrechnungen kommen.