Enttäuscht, frustriert, amtsmüde

Mit US-Außenminister Powell verstummt die moderate Stimme im Bush-Kabinett. Gegen die Hardliner Rumsfeld und Wolfowitz konnte er sich nicht durchsetzen

WASHINGTON taz ■ Der Rücktritt von US-Außenminister Colin Powell gestern Morgen überraschte dann doch. Nächste Woche wollte er in den Nahen Osten reisen, um den Friedensprozess nach dem Tode von Jassir Arafat neu beleben zu helfen. Zudem glaubten viele in Washington, er werde das Handtuch nicht vor seinem Erzrivalen, Pentagon-Chef Donald Rumsfeld, werfen.

Tatsächlich wurde die US-Außenpolitik in den letzten vier Jahren so sehr vom Verteidigungsministerium dominiert wie selten zuvor in der US-Geschichte. Daher galt es schon lange als offenes Geheimnis, dass Powell, amtsmüde und oft frustriert, für eine zweite Amtszeit von Bush junior nicht mehr zur Verfügung steht. Er selbst hatte die Spekulationen genährt.

Powell war im Ausland lange das beliebteste Mitglied des Bush-Kabinetts und wurde als moderate Stimme wahrgenommen. Der Exgeneral und erste Afroamerikaner an der Spitze des Außenamts galt als Vertreter der multilateralen Schule eines Bush senior und dessen Chefdiplomaten James Baker, die während des Golfkriegs 1991 eine internationale Koalition schmiedeten und sich streng an UN-Resolutionen hielten. Lange versuchte Powell, auf die Bremse zu treten, als klar wurde, dass Bush und die zivile Pentagon-Führung nach dem 11. September den Marsch auf Bagdad im Visier hatten. Doch am Ende knickte er ein.

Der Tiefpunkt seiner Karriere dürfte jener Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2003 gewesen sein, als er die Weltgemeinschaft mit „sicheren Beweisen“ von der unmittelbaren Bedrohung durch irakische ABC-Waffen überzeugen wollte – ein diplomatisches Desaster, wie bald herauskam, da die Präsentation auf falschen Daten basierte.

Powells Amtszeit wurde durch die Richtungskämpfe mit Hardlinern im Pentagon überschattet. Es ist eine Ironie, dass der General keine Allianz mit den Militärs schmieden konnte, Kriegsvorbereitung und -führung im Irak ihnen von Zivilisten wie Rumsfeld und Vize Paul Wolfowitz entrissen wurde. Ausgerechnet Wolfowitz, dessen Versagen im Irak offensichtlich ist, wird nun als Nachfolger Powells gehandelt. Ferner sind im Gespräch Bushs Sicherheitsberaterin Rice und UN-Botschafter Danforth. MICHAEL STRECK

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